Wenn man nach fünfzig Jahren im Beruf darüber nachdenkt, was von all der Zeit als wertvoll in Erinnerung bleibt, etwas, das man einem jüngeren Menschen mitgeben kann, dann kommen mehrere Dinge in den Sinn. Eine wichtige Rolle kommt Beziehungen zu. Gemeint sind damit nicht solche in der Art von „Vitamin B“, also jene mehr oder weniger intensiven Kontakte zu Personen, die einem helfen könnten, bestimmte Vorteile zu ergattern oder der Karriere etwas Schubkraft zu verleihen. Nein, es geht um Verbindungen zu einer Reihe von jenen Zeitgenossen, mit denen wir im Laufe unserer Tätigkeit zu tun haben und die bleibenden Eindruck hinterlassen.
Mitarbeiter auf Baustellen
Da sind einmal alle Leute, mit denen ich im familieneigenen Unternehmen zusammenarbeiten durfte. Ganz unterschiedliche Menschen, darunter etwa siebzig Lehrlinge. Vor allem von einigen langjährigen und älteren durfte ich einiges lernen. Durch den häufigen Kontakt auf den Baustellen zu den eigenen Leuten, aber auch zu den vielen anderen Handwerkern und ihren Gehilfen habe ich diese oft sehr laute und raue Welt kennen und schätzen gelernt. Das gemeinsame Bewältigen von Stresssituationen schweißt zusammen. Die Charaktere der Leute waren oft total unterschiedlich Ich musste lernen, Vorurteile abzulegen.
Techniker im Büro
Auch die Techniker im Planungsbüro waren äußerst unterschiedlich. Da der eine, der am liebsten auf sich gestellt arbeitet. Der wohlüberlegt und Schritt für Schritt vorgeht, alles penibel dokumentiert, nichts tut, ohne sich vor Beginn der Arbeit penibel darüber zu informieren, was zu tun ist und welches Ergebnis erwartet wird. Dann wieder der Typ, der genaue Vorgabe braucht über die einzelnen Schritte, die zu tun sind. Der schon mal etwas wichtiges davon übersieht, aber leicht zu korrigieren ist. Auch hier: Wertschätzung für die Person war wichtig, Anerkennung für Geleistetes, auch das führt zusammen.
Kunden
Völlig unterschiedlich die vielen Kunden. Mit sehr vielen aus dem Installationsbereich waren Gespräche über ihre Lebensgewohnheiten wichtig, aber auch die Diskussion darüber, was sie sich wünschten und was davon für sie nützlich und auch leistbar war. Die härtesten Verhandler waren sehr oft die Ehefrauen. Ganz anders der Planungsbereich: Hier waren im Regelfall Architekten tonangebend, manchmal auch Bauingenieure. Zu einigen Kunden und ihren Architekten entwickelten sich sehr gute Beziehungen, die von gegenseitigem Respekt und von hoher Wertschätzung gekennzeichnet waren.
Freiberufler
Das Angenehme an Freiberuflern und Selbständigen: Die meisten, mit denen ich zutun hatte, waren und sind wirkliche Profis, auf die Verlass ist. Das ist etwas Schönes, das Sicherheit gibt, vor allem, wenn der Erfolg eines Auftrags davon abhängt, dass alle Partner eines Teams ihre Verpflichtungen einhalten und auch sonst zu ihren Vereinbarungen stehen. Gelebte Verlässlichkeit und Zuverlässigkeit sind etwas ganz Gravierendes, das Vertrauen erzeugt oder bestätigt. Auf lange Sicht überleben in meinen Augen auch nur jene Personen und Unternehmen, die unbeirrbar an Integrität festhalten.
Behördenvertreter
Als Ziviltechniker hatte ich sehr oft und manchmal auch sehr intensiv mit Ämtern und Behörden zu tun. Nicht alle Verhandlungen verliefen friktionsfrei, was in der Natur der Sache liegt, etwa wenn Auflagen nach Ansicht des betroffenen Unternehmers zu streng waren. Andererseits war in den letzten Jahrzehnten ein starker Wandel von Behördenseite insofern spürbar, als dass die Rolle des Kontrolleurs zurückgedrängt und die des Beraters oder gar Dienstleisters gestärkt wurde. Im Rückblich waren alle beamteten Personen bemüht, ihre Aufgabe zu erfüllen, den Klienten aber möglichst weit entgegenzukommen.
Rechtsanwälte
Rechtsanwälte erfüllen ihre Aufgabe im Dienst des Klienten, spielen im wahrsten Sinn des Wortes eine – ihre – Rolle. Auch der Sachverständige spielt (s)eine Rolle. Man begegnet sich bei Befundaufnahme oder im Gerichtssaal unter der Prämisse, dass man sich möglicherweise in einem anderen Fall wieder begegnen wird. Es hat also wenig Sinn, in hitzigen Diskussionen verbrannte Erde zu hinterlassen. Auch hier ist gegenseitiger Respekt angesagt. Dramatische Inszenierungen mögen im Verfahren ihren Platz haben, Begegnungen zwischen Anwälten und Sachverständigen sollten ansonsten von Nüchternheit geprägt sein.
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