Nachkriegsgeborene des Jahrgangs 1948 dürften noch gut die Jahre des Aufbaus in Erinnerung haben, die sie als Kind miterlebt haben. Meine Schwester und ich hatten das Privileg, in einem Haus aufzuwachsen, das meine Eltern mit starker Hilfe meiner Großeltern errichtet hatten. Ansonsten aber herrschten sehr einfache Verhältnisse, an allem Materiellen wurde gespart. Wir lernten, bescheiden zu leben, nichts zu verschwenden, zu sparen, zu verzichten, auch auf Dinge, die andere sich leisten konnten. Aber wir vertrauten auf die Zukunft und hatten Hoffnung, dass es uns einmal besser gehen würde.
Szenenwechsel zu einem Vortrag der emeritierten Universitätsprofessorin Dr. Helga Kromp-Kolb, neben vielen Tätigkeitsbereichen von den Medien gut eingeführt als prominente Klimaforscherin. Sie ist Trägerin vieler Auszeichnungen und weithin bekannt als Warnerin vor problematischen und als gefährlich angesehenen Auswirkungen des Klimawandels. Im ersten Eindruck eine sehr eloquente und fachlich in erstaunlich vielen Bereichen kompetente Frau, der man gerne zuhört und deren Darlegungen man bereitwillig aufnimmt. Der Vortrag findet offensichtlich statt im Rahmen einer Promo-Tour für ihr neuestes Buch „Für Pessimismus ist es zu spät: Wir sind Teil der Lösung“.
Positive Pressestimmen
Das Buch hat dem Vernehmen nach Herausforderungen des Klimawandels und praktische Konsequenzen daraus im Mittelpunkt. Die als Werbung präsentierten Pressestimmen auf der Verlagsseite sind – wie nicht anders zu erwarten – durchwegs positiv: “Eine Vision, die Mut macht” (ORF), “Spannende und dichte Zusammenschau von Klimaszenarien weit über den Tellerrand hinaus” (Die Presse), “Eine Tour de Force in Sachen aufrüttelnder Information.” (Kleine Zeitung), “Verständlich und fundiert” (ÖGZ Österreichischer Städtebund) und “Ein Mutmacher” (Der Standard). – Das Buch selbst kenne ich nicht, aber es ist anzunehmen, dass der erwähnte Vortrag einen guten Abriss des Inhalts darstellte.
Die Doomsday-Clock
Die Rede der Professorin beginnt mit dem Paukenschlag einer Apokalypse unvorstellbaren Ausmaßes. Apokalypse nicht durch Klima, sondern durch Auswirkungen eines weltweiten und totalen Atomkrieges. Dieser hätte unmittelbar den Tod von etwa vierhundert Millionen Menschen zur Folge. Mitsamt den nuklearen und meteorologischen Nachwirkungen – insbesondere durch den zu erwartenden nuklearen Winter – könnte das Leben von weiteren fünf Milliarden ausgelöscht werden. Das aufmerksam lauschende Publikum müsse zur Kenntnis nehmen, dass es auf der „Doomsday Clock“ zurzeit bereits neunzig Sekunden vor Zwölf sei.
Aufmerksamkeitsdefizit
Die Auswirkungen des Klimawandels werden eindrücklich dargestellt, wozu ich bekennen muss, dass sich ob der Fülle bereits bekannter und von anderer Seite wiederholt gemeldeter Informationen und der Gewichtigkeit der immer wieder geäußerten Folgen etwa eines steigenden Meerwasserspiegels meinerseits allmählich ein gewisses Aufmerksamkeitsdefizit bemerkbar macht. Irgendwie sind für mich alle diese Ausführungen oder Fakten oder Annahmen oder Vermutungen oder Forschungsergebnisse schon zu abgedroschen, um noch unter die Haut zu gehen. Das liegt am Thema und ist kein Vorbehalt gegen die Vortragende, die ihre Botschaft wohl aus tiefster Überzeugung und mit bestem Vorsatz überbringt.
Verzichts- als Lösungsvorschläge
Irgendwann kringelt sich der Fluss der Darlegungen in die finale Frage ein: Was können wir tun, um das alles aufzuhalten? Jetzt wird als Antwort – so empfinde ich das – der unangenehm angerührten Gefühls-Gemengelage der Zuhörer reichlich Optimismus beigemischt nach dem Merkel’schen Motto „Wir schaffen das“. Wie? Durch Verzicht natürlich, auf eigenes Auto, auf Flugreisen, auf Fleisch, das ja besonders ineffizient durch Futteranbauflächen über Tierhaltung gewonnen werden muss, auf fossile Energie sowieso, auf Konsum von Billiggütern, etc., etc. Der Fantasie an Möglichkeiten werden keine Grenzen gesetzt, geht es doch auch bei zwei oder mehr Grad Plus der Globaltemperatur ums nackte Überleben der Menschheit …
Wer geht voran, was ist der „Neue Sinn des Lebens“?
Im Auditorium sitzen auch einige junge Leute, vielleicht Mittelschüler oder Gymnasiasten. Die 1948er-Generation hat aus Verzicht heraus auf Zukunft und Hoffnung gebaut. Die jungen Leute von heute werden darauf eingeschworen, ihre Zukunft und Hoffnung in den materiellen Verzicht zu setzen. Um das Klima und damit die Welt zu retten auch gleich in ein anderes Wirtschaftssystem. In eine karge Zukunft mit schlichtem Wohnen, ohne Auto, mit möglichst wenig Konsum. Neuer Sinn des Lebens könnte ein möglichst geringer CO2-Fußabdruck sein. Weniger Materielles, stattdessen sollen mehr Kultur und bessere Beziehungen Erfüllung bringen. – Klingt alles gut, aber wer, dem materiell nichts abgeht, geht voran, wer fängt mit dem Verzicht an? Wer, der derlei Dinge propagiert, lebt das Beispiel selbst? Und: Wie lässt sich der Erfolg der Bemühungen messen?
Wie soll eine hoffnungsvolle Zukunft aussehen?
Der Soziologe Andy A. West hat den Klima-Katastrophismus als eine säkulare (weltliche) Religion entlarvt. Anhänger dieser Religion finden sich in allen Gesellschaftsschichten, auch unter Wissenschaftlern. Mir scheint, dass es einen Rand der Wissenschaft gibt, an dem Wissenschaft endet und eine schiefe und rutschige Ebene beginnt, auf der man unweigerlich in die Zone der Klima-Katastrophen-Religion abgleitet. Ich will nicht sagen, dass das auch bei der geschätzten Frau Kromp-Kolb der Fall ist. Aber ich sehe in allen Lösungsansätzen eine verengte Weltsicht, die meinem Bild der Realität und einer lebenswerten und hoffnungsvollen Zukunft völlig entgegensteht.
—
Nachbemerkung
Politisch gesehen erscheint mir die Verkündigung einer drohenden Klimakatastrophe mitsamt dem Aufruf zur notwendigen Verhaltensänderung als ein Projekt der äußersten linken Politsphäre. Betrifft dieser Vorstoß doch nicht nur den Klimawandel, sondern nimmt diesen letztendlich zum Vorwand für einen als unumgänglich erachteten Systemwandel („system change – not climate change“) vor allem wirtschaftlicher Art. Wie? Wohl nur nach dem Drehbuch marxistisch angehauchter Utopie. Das sollten wir uns in der „Klima-Diskussion“ immer vor Augen halten.