Die besten Schöpfungen aus Musik und Darstellender Kunst sind Beispiele für kulturelle Errungenschaften der Zivilisation, in der wir das Vorrecht haben, zu leben. Wir pflegen und erhalten sie sorgsam. Während man aber der Bewahrung bildnerischer und musikalischer Werke mit Recht hohen Stellenwert zuweist, gilt dies in weitaus geringerem Maße für Ingenieurleistungen. Denn beachtenswerte und erhaltungswürdige Ergebnisse menschlicher Kreativität finden sich genauso in den vielfältigen technischen Errungenschaften, die unsere Lebensbedingungen entscheidend vereinfacht haben.
Die Pflicht zur Erhaltung technischer Leistungen im Fall von markanten Bauwerken – insbesondere von denkmalartigen Gebäuden – besteht naturgemäß dann, wenn diese aufgrund ihrer historischen Bedeutung weithin bekannt sind oder weil sie Ecksteine zeitgenössischer Stilrichtungen darstellen. Es gibt aber noch andere Arten von vielleicht äußerlich eher unscheinbaren Bauwerken – gemeint sind Zweckbauten wie Brücken – die auf den ersten Blick nicht als Meister- oder zumindest als Pionierleistungen erkannt werden mögen, aber tatsächlich solche sind.
Betonbau
Wenn man etwa den Bezirk Weiz in der Oststeiermark betrachtet, findet man hier mehrere Eisenbahnbrücken, die erstmals – und damals noch in der Donaumonarchie – in Betonbau errichtet worden sind. Wohlgemerkt: Nicht im Stahlbetonbau, sondern die Tragbogen der Brücken wurden in reiner Betonbauweise ausgeführt: Das Grub- und das Feistritzviadukt der schmalspurigen Feistritztalbahn. Die Gestaltung der Tragwerke lässt leicht erkennen, dass sorgfältig darauf geachtet wurde, Zugbelastungen weitgehend zu vermeiden und die hohe Druckbeständigkeit des Betons zu berücksichtigen.
Schweißkunst
Noch ein derartiges infrastrukturtechnisches Kleinod befindet sich im Bezirk, das völlig unscheinbar ist und vermutlich deshalb in der Öffentlichkeit kaum Bekanntheit erlangt hat: Die Autoren Holger Neuwirth und Friedrich Bouvier berichten darüber in ihrer Publikation „Ingenieurkunst und Eisenarchitektur“, die im Webauftritt der TU Graz zu finden ist: Eine neue Phase im Brückenbau leitet die 1929 errichtete Schleppbahnbrücke im Fabriksgelände des Elin-Werkes in Weiz ein, die laut Aufschrift die erste geschweißte Brückenkonstruktion in Europa darstellt.
Oldtimer
Wechselt man von der Bautechnik zum Maschinenbau, sind es aus diesem Fachgebiet am ehesten noch historische Kraftfahrzeuge, die in der Öffentlichkeit als Kulturgut wahrgenommen werden, das als erhaltenswert gilt. Oldtimerfahrten haben aus subjektiver Sicht nichts an Popularität eingebüßt, sieht man von vereinzelten Protesten eingefleischter Umweltschützer ab. Insbesondere die ältere Generation verbindet damit Erinnerungen an frühere Zeiten. Wobei man die Verantwortung für den oft aufwendigen Erhalt gerne den wahren Fans überlässt …
Eisenbahn
Zurück zur Feistritztalbahn: Bis vor einigen Jahren in der Sommersaison als Tourismusattraktion mit Dampfbetrieb fast regelmäßig in Betrieb, haben Umbauten am Bahnhof Weiz im Zuge der Errichtung der neuen Ortsdurchfahrt zu einer Unterbrechung geführt. Der Betrieb steht auch wegen einiger anderer Probleme still. Brücken und Tunnel stehen mittlerweile unter Denkmalschutz. Zurzeit sieht es sogar nach einem Ende dieser Museumsbahn aus, da Teile der Bahntrasse einem Umbau der parallelen Bundesstraße weichen sollen. Den involvierten Bürgermeistern und Lokalpolitikern sind Betrieb und Erhalt dieses Kulturguts leider kein Anliegen.
Arbeitsmittel
In schon lange bestehenden Ingenieurbüros herrscht manchmal Hemmung, alte und nicht mehr verwendete, aber früher sehr wertvolle Arbeitsmittel, Geräte und Apparaturen zu entsorgen: Weil eine gewisse Ehrfurcht besteht gegenüber Gegenständen, die für gedeihliche Arbeit einmal schlicht unverzichtbar waren. Aber was einmal immensen Nutzwert hatte, reduziert sich heute auf technisches Kulturgut, von dem nur wenig erhaltenswert erscheint. Wer erinnert sich etwa noch an Rechenschieber, an all das Zeug zum Herstellen von Tuschezeichnungen, an Zirkel, Zeichenbretter und Zeichenmaschinen, Tabellen für Logarithmen etc., etc. …
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