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Der polnischstämmige US-amerikanische Psychologe Solomon Asch (1907 – 1996) hat in den Fünfziger-Jahren ein interessantes Experiment durchgeführt, das nichts an Aktualität verloren zu haben scheint: Vereinfacht gesagt zeigte er auf, dass der Konformitätsdruck einer Gruppe das Denken einer Person so sehr zu beeinflussen vermag, dass sie entgegen ihrer eigenen Meinung oder Wahrnehmung zu einem falschen Urteil kommen kann. Dehnt man diese Erkenntnis auf die gesamte Gesellschaft aus, würde das bedeuten, dass allgemeiner Konsens in einer Sache wichtiger sein kann als widersprechende Fakten.

In anderen Worten heißt das, dass in der Öffentlichkeit gut verankerte „Wahrheiten“, die von einer überwiegenden Anzahl geglaubt und auch dann für gut und richtig gehalten werden, auch dann noch als „Wahrheiten“ akzeptiert werden, wenn sich Teile davon als unrichtig herausstellen. Die Wirklichkeit wird ganz einfach ignoriert, nicht denkkonforme Sachlagen werden zwar registriert, aber simpel gesagt ausgeblendet. Es scheint, dass wir Menschen zumindest oberflächlich gesehen ganz gut mit widersprüchlichen Einsichten oder Erkenntnissen zurechtkommen können.

Die halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge

Was das Negieren der wahrgenommenen Wirklichkeit mit einem Menschen in seinem Innersten machen kann, ist eine andere Sache. Die Situation ist wohl klar: Wer an eine Teilwahrheit oder teilweise Lüge glaubt, weil er getäuscht wurde oder die Fakten von sich aus nicht erkennen oder nicht besser beurteilen konnte, wird im Täuschungszustand ohne innere Unruhe weiterexistieren können. Aber wenn ihm bekannt wird, dass die „halbe Wahrheit“ eine ganze Lüge ist, sollte er seine bisher festgefügten Ansichten überprüfen und die Konsequenzen ziehen. Tut er das nicht, wird er in einem unbereinigten Zwiespalt leben, die an seiner Integrität zu nagen beginnt.

Was ist wahr?

Was in diesem Zusammenhang entscheidend wichtig ist: Wir müssen lernen, die Wahrheit zu erfahren, zu erkennen, anzunehmen und sie von etwas zu unterscheiden, was wir für „wahr“ halten, weil wir aufgrund ungenügender Informationen falsche Schlussfolgerungen gezogen haben. Dazu erzähle ich gerne eine kleine persönliche und wahre Geschichte: Vor Jahren holte ich an einem schönen Tag eine junge Dame von ihrem Arbeitsplatz ab und fuhr mit ihr in ein Bordell. Dort hatten wir eine gute Stunde miteinander zu tun. Anschließend ging es wieder retour, ich lieferte sie an ihrem Arbeitsplatz ab und fuhr zügig zurück in mein Büro.

Was ist die Wahrheit?

Ich kann nur nochmals bestätigen: jedes Wort vorhin ist wahr! – Was davon prägt sich davon ein? Ich denke, der unvoreingenommenen Leser wird die Begriffe „junge Dame“ und „Bordell“ besonders registriert haben. Die Assoziation der Ausdrücke könnte ein Urteil der moralischen Art zur Folge gehabt haben etwa wie „Der Ingo mit einer Dame im Bordell … ich hätte so etwas nie von ihm gedacht!“, „Wie man sich in einem Menschen täuschen kann!“ oder so ähnlich. Gute Bekannte hätten vermutlich nähere Erläuterungen gefordert. Andere hätten vielleicht beschlossen, künftighin einen weiten Bogen um mich zu machen.

Die unspektakuläre Auflösung

Die Wahrheit hinter der Geschichte ist jedoch banal und hat mit meiner Arbeit als Sachverständiger zu tun: Bei der jungen Dame handelte es sich um eine Richterin. Sie kannte mich aus einigen Gerichtsverfahren recht gut und hatte mich im Vorfeld gebeten, sie zu einem Verhandlungs- und zugleich Befundtermin – eben in einem Bordell – abzuholen. Die gemeinsame Anfahrt sollte ein Vorbereitungsgespräch ermöglichen. – Noch etwas: Im Zuge meiner langjährigen Tätigkeit habe ich etliche Besuche in Etablissements aus dem Rotlicht-Milieu gemacht; Allerdings war in allen Fällen der Betrieb zum Zeitpunkt der Befundaufnahme ausgesetzt oder wegen vorhergehender Schließung gar nicht mehr gegeben …

Fazit

Der gesellschaftliche Konformitätszwang ist eine Bedrohung, der wir alle ausgesetzt sind. Wollen wir uns nicht mit dem „Mainstream“ treiben lassen und uns mit scheinbar bequemen Halbwahrheiten begnügen, sind wir gefordert, uns dagegen zu wappnen. Was wir dagegen als Schutzvorrichtung in Stellung bringen können, ist kritisches Prüfen aller Informationen, besonders jener, die für uns persönlich wichtig sind, Einfluss auf unsere physische und psychische Existenz sowie auf das Zusammenleben mit unseren Mitmenschen haben.

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