Sonnek

Baro 2

Manchmal sind die Personen hinter den Autos von damals genauso interessant wie die Fahrzeuge selbst. Das trifft auch auf meinen Patenonkel zu, der nicht nur eine bemerkenswerte Persönlichkeit darstellte, sondern auch ein erfolgreicher Unternehmer war. In den früheren Sechzigern hatte er mit der Herstellung von Haushaltsartikeln aus Kunststoff begonnen mit einem schlichten Eierbecher als erstem Produkt. Des Onkels Interessen erstreckten sich über vielfältige Tätigkeiten, so war er begeisterter Jäger und unternahm viele Reisen. Nicht zuletzt hatte er Freude an schönen und manchmal außergewöhnlichen Autos.

Ein Freund aus Gymnasiumszeiten, mit dem ich einstens den damals schon stattlichen Betrieb besuchte, verlieh meinem lieben Verwandten taxfrei die Bezeichnung „Plastikonkel“. Das Unternehmen des Onkels entwickelte sich übrigens über die Jahre hinweg gut und wird heute noch von seinen Erben betrieben. Und der „Plastikonkel“ wurde Teil des kollegeninternen Sprachgebrauchs. – Doch zurück zu seinen Autos: Fast immer fuhr er Modelle, die sich durch Eleganz auszeichneten und dadurch, dass sie für „gewöhnliche Leute“ – zu denen ich meine Familie zählen durfte – praktisch nicht erschwinglich waren.

Hochzeitskutsche

Meine Eltern erzählten mir, der Onkel hätte sie bereits anno 1948 in seinem damaligen wunderschönen, weißen und offenen Mercedes als Hochzeitsfahrzeug herumkutschiert. Den ersten Nachweis, dass ich mit einem Fahrzeug von ihm zu  tun gehabt habe, bezieht sich auf ein Foto: Es zeigt mich als vier- oder fünfjährigen Knirps am Fahrersitz eines Wagens, mit ernstem Blick und das weiße Lenkrad mit beiden Händen fest im Griff. Mein Vater war sich sicher, es habe sich dabei um einen englischen „Commer“ gehandelt, das Modell einer Marke, die meines Wissens schon lange nicht mehr existiert.

Die Isabella und ihr Aschenbecher

Meine erste persönliche Erinnerung an ein Fahrzeug von ihm betrifft einen „Borgward“, eine „Isabella“. Gibt es heute noch Autotypen, die Frauennamen tragen? Für damalige Begriffe eine wunderschöne Limousine, seine in dezentem Blau oder Blaugrau, mit der hochgestellten Raute im Kühlergrill. Es war auf einer Fahrt nach Wien: Der Deckel eines frei an der hinteren Seitenwand montierten Aschenbechers klapperte ständig, sodass ich den Deckel fest zudrückte, mit wachsender Kraft. Etwa auf der Höhe des Passes über den Wechsel gab der gesamte Ascher dann nach und brach ab. Der Onkel nahm’s mit Gelassenheit.

Der Barocktaunus

Danach kam ein Ford Taunus 17M P2 ins Haus – ein Mittelklassewagen in Blauweiß. Das Gefährt war und ist heute als der „Barocktaunus“ bekannt, wegen seiner amerikanisch-ausladenden Form und der markanten gezackten Seitenleiste zwischen den Farbfeldern: Unten weiß, in der Mitte blau, das Dach dann wieder weiß. Auch die Innenausstattung war sehenswert: Dreispeichen-Lenkrad mit verchromtem Hupring, natürlich wieder Lenkradschaltung. Repariert wurde damals viel in Eigenregie, ich erinnere mich noch an einen ausgebauten, weil defekten Tachometer …

Der Pritschen-Bulli

Für seine Geschäfte nutzte der Onkel in den späten Fünfziger-Jahren einen blauen VW-Pritschen-Bulli ( von Kennern „T1“ genannt), hin und wieder durfte ich den Onkel bei Kundenbesuchen begleiten. An den einzigartig „blechernen“ Klang der Türen beim Zuschlagen erinnere ich mich noch gut. Dass die extrem schwammige Lenkung es schwierig machte, den Klein-LKW auf der Straße zu halten, erlebte ich ein paar Jahre später: Für den Transport eines etwas sperrigen Gegenstands hatte ich den Wagen ausgeborgt und war froh, ihn unbeschädigt retournieren zu können. Den Onkel schreckte so etwas nicht: Regelmäßig brachte er damit Ausstellungsstücke zur Leipziger Messe in der damaligen DDR …

Die Coupés von BMW

Jahre später lud er mich ein, seine neueste Errungenschaft zu begutachten: Einen eleganten und sportlichen Zweitürer, den BMW 2000 CS, ein Coupé! Der Wagen besaß eine betonte Gürtellinie mit umlaufenden Zierleisten und damals ungewohnte ovale Scheinwerfer … Die Farben solcher Fahrzeuge waren – Noblesse oblige! – schon damals etwas zurückhaltender, in seinem Fall silbergrau. Und erst der Innenraum: Ein Traum mit samtbezogenen Sitzen und mit lackierten und hochglanzpolierten Edelholzflächen. Der Wagen, dessen Fortbewegung mir wegen des fast unhörbaren Motors eher wie ein Schweben erschien als ein Rollen, wurde später gegen ein Modell 2800 CS getauscht.

Die Mustang-Zeit

Dann kam die Mustang-Zeit: Sie begann mit einem Coupe mit Sechszylinder, zweifärbig blau und grau, mit viel Chrom, kunstlederbezogenen Sitzen, Automatik und mit dem ganzen Innenraum-Flair eines Amerikaners der damaligen Zeit. Der Wagen wurde dann gegen eine etwas schärfere Version gewechselt, und zwar gegen eine auffällig rote mit V8-Motor mit einem Hubraum von über vier Litern (damals war der Hubraum halt noch ein Raum) und etlichen SAE-PS. Den Wagen bin ich einmal gefahren, hatte keine Ahnung vom Umgang mit einer Automatik, an der ersten Kreuzung voll auf die vermeintliche Kupplung, die in Wirklichkeit die Bremse war, blockierende Räder und die Beifahrerin an der Windschutzscheibe – zum Glück unverletzt.

Die Mercedes-Ära

Irgendwann ist der Onkel wieder auf Mercedes gekommen. Diesmal war die Hochzeitskutsche für meine Frau und mich – wenn ich mich recht erinnere – ein fünf Meter langer Mercedes 450 SEL, ein als Limousine getarnter Sportwagen mit einem V8-Motor, der einen Hubraum von satten 6,9 Litern mit damals unerhörten 250 PS vorzuweisen hatte. Ein Nobelhobel in Dunkelblau mit Plüschsitzen und, und, und … Später war es ein 350 SL Cabriolet. Im höheren Alter begnügte sich der Onkel dann mit 250SE-Limousinen.

Die Ford Eifel-Episode

Irgendwann ergab sich die Gelegenheit zum Erwerb eines wunderschönen Oldtimers, eines Cabriolets Ford Eifel des Baujahrs 1938 in Schwarz mit rotem Seitenteil und roter Abdeckung des Reserverads im Heck. Die Karman-Karosserie war einfach ein Traum, unter der Marke Ford fand sich der Hinweis „Deutsches Erzeugnis“. Vorwürfe machte sich der Onkel später über den Fehler, das betagte Cabrio wie ein modernes Fahrzeug behandelt zu haben: Der Ritt in ein entlegenes Bergdorf an einem schönen Sommertag überforderte die Thermosiphon-Kühlung des Motors. Ein deftiger Motorschaden war die Folge, dessen Reparatur nicht billig …

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