Sonnek

P 202

Wenn man Teil der Nachkriegsgeneration mit Geburtsjahr 1948 ist, wecken Begegnungen mit Oldtimern auf unseren heutigen Straßen sofort Reminiszenzen an Jugendzeiten. Als technisch immer schon Interessierten haben sich mir aus dieser Ära der Fünfziger bis Siebziger Jahre Erinnerungen an bestimmte Gefährte besonders eingeprägt. In den meisten Fällen sind sie untrennbar mit deren Besitzer verbunden. Diese Jahre des wirtschaftlichen Aufbruchs und der zunehmenden Motorisierung bereicherten die Straßen mit einer technischen uns stilistischen Vielfalt, die heute kaum noch vorstellbar ist.

Meine Eltern haben mir berichtet, dass meine erste Autofahrt als Kleinkind in einem Opel Kadett mit Baujahr 1938 stattgefunden haben soll. Dazu fehlt mir naturgemäß jede Erinnerung. Besitzer des Wagens war mein Onkel, damals Bezirkshauptmann im südlichen Burgenland. Historisch gesehen interessant ist, dass meines Wissens die zugehörigen Produktionseinrichtungen für diesen Wagen der unteren Mittelklasse in Rüsselsheim als Reparationsleistungen demontiert und in die damalige Sowjetunion verbracht worden sein sollen. Damit haben die Russen dann nach dem Krieg einen Moskwitsch fabriziert.

Peugeot 202

Genannter Onkel Bezirkshauptmann hat dann auf einen dunkelgrauen Peugeot 202 gewechselt, damals schon ein Nachkriegsmodell aus dem Jahre 1948. Der Wagen ist mir deshalb in Erinnerung geblieben, weil seine Scheinwerfer unter dem Kühlergrill angebracht waren. Meine hartnäckigen Fragen damals, warum man so etwas tut, wo doch alle anderen Fahrzeuge freiliegende Scheinwerfer besaßen, konnte mir keiner beantworten. Die Heizung im Winter war mehr theoretischer oder südfranzösischer Art, also de facto nicht existent, mein Cousin und ich wurden im Winter in zwei Schichten Decken gewickelt.

Handstartversuche

Auch weiß ich noch, dass der Wagen manchmal mit Kurbel gestartet werden musste. Den Onkel sehe ich noch vor mir, vor der Schnauze stehend, im bodenlangen Staubmantel und mit Hut und Handschuhen, an der Kurbel drehend oder besser gesagt reißend. Tante und wir Buben im Fonds mussten abfahrbereit im Auto warten und konnten uns das Schauspiel ansehen, wie der Onkel nach einigen vergeblichen Versuchen die Kurbel schließlich laut fluchend in die Garagenecke warf. Ich weiß nicht mehr, wer den Motor letztendlich zum Laufen kriegte, ob doch der Onkel oder der eiligst herbeigerufene Amtsdiener.

Der „ovale“ VW-Käfer

Eine neue Ära begann, als der 202er dann von einem nagelneuen VW Käfer abgelöst wurde, einem Exemplar ganz in schwarz. Er war einer der ersten, die mit immer noch kleinem, aber jetzt ovalem Rückfenster ausgestattet waren. Das Modell zuvor, der „Brezelkäfer“ hatte noch eine geteilte Rückscheibe besessen. Auch die kleinsten Modelländerungen am Käfer erregten damals in der Bevölkerung besondere Aufmerksamkeit und besaßen hohes Diskussionspotential. So wurde mir erzählt, dass sich offenbar die Hälfte der burgenländischen Bevölkerung in Bewegung setzte, um das Technikwunder gebührend zu begutachten und wohlgefällig zu kommentieren.

Vorteilhafte Nummerntafeln

Der Käfer war zwar neu, sein Innenraum allerdings nicht viel größer als der seines Vorgängers. Die Heizung funktionierte zum Glück etwas besser, die Deckenbereitstellung für Winterfahrten war nur mehr einlagig notwendig. Derartige bezirkshauptmännische Dienstfahrzeuge hatten ein Merkmal, das sie zu Besonderheiten machte: Die Nummerntafeln, besser gesagt die Zahlen darauf, deren letzte drei Stellen eine Null auswiesen. Damals waren derlei Kennzeichnungen den Fahrzeugen der Bezirkshauptleute vorbehalten. Dass wusste man. Vielleicht nicht alle, aber sicher jene, auf die es ankam: Gendarmen oder Polizisten, die bei Vorbeifahrt automatisch die Hand grüßend an den Mützenrand legten und bei Bedarf für schnelleres Vorankommen sorgten.

Der Jeep

Apropos Amtsdiener: Er pflegte beim obligatorischen „Patrouille-Fahren“ den zweiten Dienstwagen zu steuern, einen richtigen amerikanischen Jeep. Es ging die ungarische Grenze entlang, an der man damals gerade den „Eisernen Vorhang“ errichtete. Am Beifahrersitz hatte der Onkel Platz genommen, wir „Kleinen“ saßen bei Sonnenschein hinten im offenen Wagen. Ich erinnere mich noch an die Riesenmengen an Stacheldrahtrollen, die hinter der Grenzlinie bei den Ungarn herumlagen. Bei Schlechtwetter wurden am Wagen Dachplane und Seitenteile aufgebaut mit dem Resultat, dass man als Passagier nur durch die Windschutzscheibe mitbekam, was draußen los war.

Ford Consul II

In seiner bald darauffolgenden Pension gönnte sich der seines Zeichens Wirkliche Hofrat schließlich etwas mehr Raum: Ein britischer Ford Consul II wurde angeschafft. Ein elegantes Fahrzeug in Beige mit grünen Ledersitzen, vier Türen, durchgehender Sitzbank vorne, was bei Notwendigkeit Platz für insgesamt sechs Personen schaffte und – wenn ich mich richtig erinnere – mit Lenkradschaltung. Der Vierzylindermotor lieferte immerhin sage und schreibe 60 PS, nicht wenig für die damalige Zeit. Der Onkel hatte sogar sehr großes Vertrauen in die Fahrkünste eines Führerscheinneulings: Für eine Überstellungsfahrt übergab er mir wortlos – also ohne die erwartete Ermahnung – den Autoschlüssel …

(Fortsetzung folgt)

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