Sonnek

Verschätzt

20.10.2023
SV

Gerichtliche Befundaufnahme auf einem landwirtschaftlichen Areal. Gegenstand ist ein unlängst errichtetes Fernwärme-Mikronetz, in dem von einem zentralen Heizhaus ausgehend mehrere zur Landwirtschaft gehörende Objekte ganzjährig mit Wärme aus Hackgut versorgt werden. Der Auftrag an den Sachverständigen lautet, er solle ein Aufmaß über den gesamten Umfang der neuen Heizungsanlage erstellen. Auf dieser Grundlage möge die erbrachte Leistung des Installateurs ermittelt werden. Dadurch soll festgestellt werden, ob und wieweit die in der Schlussrechnung aufscheinenden Positionen gerechtfertigt sind.

Der Landwirt hatte sich im Vorfeld des Gerichtsverfahrens  geweigert, einen Teil der Rechnung zu bezahlen, da er behauptete, die verrechneten Montagekosten seien überzogen und nicht gerechtfertigt, zumal ein geringerer Umfang als im Angebot vorgesehen installiert worden sei. Außerdem wäre die Rechnung wegen fehlender Zuordnung von Positionen aus der Rechnung zu denen im Angebot für ihn nicht prüfbar. Und last but not least beanstandete er Mängel in der Ausführung, die zum Beispiel bereits zu Leckagen und zu Schäden an der neu errichteten Anlage geführt hätten.

Gerichtliche Vergleichsversuche scheiterten

Als absehbar war, dass eine Einigung nicht möglich sein würde, reichte der Installateur die Klage ein. Das Verfahren lief nun schon in das dritte Verhandlungsjahr. Eine erste örtliche Befundaufnahme hatte bereits ein Jahr zuvor stattgefunden. Dabei war es aber ausschließlich um die behaupteten technischen Mängel gegangen. In den darauffolgenden Verhandlungen hatte es seitens des Gerichts mehrere Versuche gegeben, einen Vergleich zu erreichen, die aber nach zeitraubendem Hin und Her allesamt gescheitert waren. Letztendlich war nur mehr die Möglichkeit verblieben, vor Ort besagtes Aufmaß durchzuführen.

Enge zeitliche Vorgaben

Den zeitlichen Möglichkeiten für die dafür notwendige weitere örtliche Befundaufnahme waren aufgrund der gegebenen betrieblichen Abläufe enge Grenzen gesetzt. Ein erster Versuch war an zu kurzer Frist gescheitert, die einem Rechtsvertreter die Teilnahme verwehrt hatte. Der neue Termin wäre wegen fehlerhafter oder fehlender Kommunikation zwischen Sachverständigen, Parteienvertreter und Partei beinahe auch noch gescheitert, konnte aber stattfinden. In der Einladung war die Dauer der Aufmaßermittlung mit etwa dreieinhalb Stunden angesetzt worden, um den Teilnehmern die Tagesplanung zu erleichtern, zumal die Seite des Installateurs eine weitere Anfahrtstrecke zu bewältigen hatte.

Dauer: Mehr als doppelt so lang

Die tatsächliche Dauer des Einsatzes war dann mit siebeneinhalb Stunden doppelt so lang wie vorgesehen. Als das Heizhaus als schwierigster Abschnitt abgehakt werden konnte, war der im Voraus für alle Tätigkeiten geschätzte Zeitraum bereits verbraucht. Die Parteienvertreter und die weiter anreisende Partei verabschiedeten sich in das bevorstehende Wochenende, vielleicht auch deshalb, weil sie erkannten, dass eine Kontroll- oder Aufsichtsmöglichkeit aufgrund der engen örtlichen Gegebenheiten und der technisch-fachlichen „Kleinarbeit“ des Sachverständigen und seines Helfers ohnehin nur sehr begrenzt möglich war.

Warum hat sich der Sachverständige im vorgesehenen Zeitaufwand verschätzt?

In erster Linie zeitraubend war die Aufgabe, alle Formstücke der installierten Heizungsleitungen erfassen zu müssen. Das lag daran, dass – auch aus juristischer Sicht – Unklarheit darüber bestand, wie diese zu verrechnen sein würden. Im Angebot war deren Menge als Gesamtbetrag eingesetzt, also nicht als Pauschale gekennzeichnet und auch nicht als prozentueller Zuschlag zu den Beträgen der Rohrpositionen. Im Extremfall bedeutete dies, dass der Wert jedes einzelnen Formstückes zu ermitteln wäre, wozu eben auch die gegenständliche Befundaufnahme diente.

Was folgt daraus?

Als Draufgabe kamen noch die schwierige Zugänglichkeit und die engen Raumverhältnisse dazu, ebenso das Fehlen von Tages- oder künstlichem Licht, was das Improvisieren mit Taschenlampen, Handys und kleinen Handleuchten erforderlich machte, alles Dinge, die Zeit kosten. – Was lässt sich aus alldem lernen? Dass auch bei bester Vorbereitung Unerwartetes eintreten kann, dass angesichts physischer und manchmal auch psychischer Beanspruchungen Zähigkeit und Ausdauer gefragt sind, wenn man eine Sache erfolgreich durchziehen will …

Comments are closed.

Copyright ©2012 Ing. R. Sonnek GmbH