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In Verfahren vor Zivilgerichten kommen Sachverständige und Parteien offiziell dann in Kontakt, wenn Sachverständige Parteien direkt befragen müssen, um zu relevanten Informationen zu kommen. Dazu gibt es zumindest zwei Anlässe: Einmal bei der örtlichen Befundaufnahme und ein weiteres Mal bei der Vernehmung der Partei im Gerichtsaal. In allen anderen Anlässen, zu denen ein Sachverständiger verfahrensbedingt anwesend ist, sind die Rechtsvertreter der Parteien seine Ansprechpartner. Es sind aber auch inoffizielle Anlässe denkbar, und die können aus der Sicht des Sachverständigen heikel sein.

Heikel deshalb, weil ein Gerichtssachverständiger angehalten ist, seinem Auftrag unbefangen und neutral nachzukommen. Das bedingt, dass er Äquidistanz zu allen Parteien wahrt. Wobei anzumerken ist, dass er des Öfteren mit mehr als zwei Parteien zu tun haben kann. Unbefangenheit allein genügt außerdem nicht, der Sachverständige hat tunlichst bereits jeden noch so geringen Anschein von Befangenheit zu vermeiden. Er wird sich also bemühen, jeglichen Anlass zu vermeiden, der einseitige Kontakte und in der Folge entsprechende Vorwürfe mit sich bringen könnte. Er führt daher von sich aus …

… grundsätzlich keine Gespräche mit Parteien!

So weit, so gut. Jetzt sind wir alle keine Maschinen, sondern Menschen, die nicht immer rational, sondern oft anders und auch emotional agieren und sich nicht immer nach Vorschrift verhalten. Das gilt besonders für Parteien, die meist unter Anspannung und naturgemäß unter Druck stehen, das Verfahren so gut wie möglich zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Die Parteien sind oft mit den Regeln des Verfahrens nicht vertraut und die Verpflichtungen, die ein Sachverständiger in Bezug auf sein vorhin geschildertes korrektes Verhalten hat, kümmern sie wenig.

Redeschwall beim Abschied von der örtlichen Befundaufnahme

Manche ergreifen jede Gelegenheit, mit dem Sachverständigen in Kontakt zu kommen und ihre Sicht darzulegen, selbst dann, wenn ihnen der Rechtsvertreter klar gemacht hat, dass das nichts bringt. Beispiel: Anlässlich einer örtlichen Befundaufnahme kann sich der Sachverständige nicht schnell entfernen, weil er noch Gerätschaften im Auto verstauen muss. Die beiden Anwälte und die andere Partei sind schon weg, die Partei vor Ort redet jetzt pausenlos auf sein Opfer ein, das es mittlerweile auf den Fahrersitz geschafft hat und mit letzten Resten von Höflichkeit das Fahrerfenster langsam hoch- und den Wagen anfährt …

Direkter Telefonkontakt

Weiteres Beispiel: Eine Partei in einem anderen Verfahren meldet sich telefonisch und will wissen, wie das Gutachtensergebnis voraussichtlich aussehen wird. Sie legt Wert darauf, nochmals auf das Fehlverhalten der anderen Seite hinzuweisen. Ich erkläre nur kurz, dass ich keine Gespräche außerhalb des Gerichtssaals führen darf und auch nicht will, weil ich sonst befangen bin und schließe das Gespräch sehr schnell ab. Grundsätzlich werde ich nichts äußern, das nicht auch im Gerichtssaal gesagt werden kann. Allerdings mache ich mir einen kurzen Aktenvermerk und wenn es mir gravierend genug erscheint, verständige ich das Gericht.

Persönliche Bekanntschaften

Noch ein Beispiel: Was gilt für Parteien, die ich persönlich gut kenne, weil sie aus meinem Berufsumfeld stammen oder weil wir schon in einem früheren Verfahren miteinander zu tun hatten? Ganz einfach dasselbe! Für die Dauer des Verfahrens werden wir persönliche Kontakte möglichst hintanhalten. Zum Glück sind die meisten Menschen aus dem Unternehmertum oder dem Kollegenstand in Umgang und Verhalten professionell genug, solche Situationen richtig einzuordnen und sie entsprechend zu handhaben. Uns ist klar, dass persönliche Beziehungen und das Befassen mit geschäftlichen Angelegenheiten so weit wie möglich zu trennen sind.

Erforderliche Eigenschaften

Es dürfte klar sein, dass der richtige Umgang mit Situationen, wie sie in den Beispielen geschildert worden sind, für Sachverständige ein gutes Maß an persönlicher Reife erfordert. Ein gesetzteres Alter ist dazu gewiss ein Vorteil, aber keine Bedingung. Unabdingbare Voraussetzungen sind hingegen gute Selbsteinschätzung und Sicherheit im Umgang, Besonnenheit, vor allem aber Respekt und Achtung des Gegenübers. Eigenschaften, die jeder Sachverständige infolge der beruflichen und persönlichen Praxiserfahrungen, die er in seine Tätigkeit bei Gericht mitbringt, ohnehin haben sollte.

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