In der Sachverständigentätigkeit bekomme ich es immer wieder mit recht komplizierten oder komplexen Dingen zu tun. Das können Anlagen sein oder Maschinen, aber auch Sachverhalte und Zusammenhänge, die auf den ersten Blick nur schwer erfassbar und schon gar nicht durchschaubar sind. Je öfter und je länger ich mich damit befasse, desto größer wird der Wunsch, Hilfen zu finden, die Wegweiser durch solche Herausforderungen sind. Dabei geht es nicht nur um besseres eigenes Verständnis, sondern auch darum, andere durch vermeintliche oder tatsächliche „Irrgärten“ zu lotsen.
So habe ich mir aus einer konkreten Notwendigkeit heraus das Thema „Technische Systeme“ vorgenommen. Nun ist die Beschäftigung mit Systemen nichts Neues, denn erstens befasse ich mich ständig beispielsweise mit Heizungs-, Kühl- und Solarsystemen, zweitens sind Qualitäts-Managementsysteme so eine Art Lieblingsthema und drittens habe ich die Beschäftigung mit Systemtheorie im weitesten Sinne immer schon als spannend empfunden. Jetzt also Technische Systeme. Dazu habe ich nach Literatur gesucht. Meine Wahl fiel auf „Theorie Technischer Systeme“, einen Hochschultext von Dr. Dipl.-Ing. Vladimir Hubka, damals Professor an der ETH Zürich, erschienen im Springer-Verlag im Jahre 1983!
Grundbegriffe
In der Folge habe ich mir erlaubt, aus dem Buch einige Begriffsdefinitionen wiederzugeben. Das ist deshalb wichtig, weil nicht nur in wissenschaftlichen Abhandlungen vorab geklärt sein muss, welche Bedeutungen hinter einzelnen Begriffen stehen, sondern auch in Gutachten, ja überhaupt überall dort, wo gelehrt, diskutiert, vorgetragen, verhandelt oder auch gestritten wird. Macht man das nicht, besteht die Gefahr, dass aneinander vorbeigeredet wird, was nicht nur sachlich gesehen nichts bringt, sondern zu Frust und Konflikten führen kann. Ergo ist es nie verlorene Zeit, wenn man sich vorab über Begriffe verständigt. Lasst uns also zur Sache gehen und einige Begriffe aus der Theorie Technischer Systeme näher ansehen. Hubka ist am Wort, wobei ich seine Ausführungen hier aus Platzgründen etwas vereinfacht und gekürzt wiedergeben muss:
System
Als Sytem bezeichnen wir ein, aus einer endlichen Menge von Elementen nach bestimmten Regeln geordnetes Ganzes. Damit existieren zwischen den Elementen ganz bestimmte Beziehungen.
Das Element und das System sind relative Begriffe. Ein Element kann auch als ein System betrachtet werden, ein System kann wieder zum Element eines größeren Systems werden.
Ein System kann in Teilsysteme verschiedener Komplexität zerlegt werden; somit kann ein System auf verschiedenen Unterscheidungsebenen studiert werden. Diese Ebenen sind nicht nur vom Fachgebiet, sondern auch von den Fähigkeiten unserer Sinnesorgane bzw. unserer technischen Mittel abhängig.
Mit dem Begriff „System“ ist eine Reihe von weiteren Begriffen verbunden: Zweck, Verhalten, Struktur, Umgebung, Input, Output, Eigenschaften und Zustand.
System-Zweck
Jedes künstliche System dient einem bestimmten Zweck. Der Zweck kann durch ein bestimmtes Zielsystem beschrieben werden. Wenn das Ziel als ein möglich vorgestellter Sachverhalt definiert wird, dessen Verwirklichung erstrebt wird, dann ist ein Zielsystem eine Menge von Zielen mit gegenseitigen Beziehungen. Einige Ziele stehen in hierarchischer Beziehung untereinander (Oberziele, Unterziele). Ein Unterziel kann das Oberziel konkretisieren. Oft ist aber ein Unterziel bereits ein Mittel zur Erreichung von Oberzielen.
System-Verhalten
Verhalten kann als eine Menge der zeitlich aufeinanderfolgenden Zustände eines Systems beschrieben werden. Bei den biologischen Systemen wird die Summe von Reaktionen (auf Reize) als Verhalten gedeutet.
Das Verhalten ist nicht bei allen Arten von Systemen eine sinnvolle Eigenschaft, wie z. B. bei Begriffssystemen oder Zielsystemen. Für Technische Ssteme ist jedoch ein ganz bestimmtes Verhalten das Oberziel für die Schaffung des Systems.
Oft bezeichnet man das zweckgebundene Verhalten eines Objektsystems als seine Funktion. Unter Funktion versteht man dann etwas stabiles, eine gewünschte Wirkungsfähigkeit, die jedoch nicht immer durch das Verhalten des Systems gewährleistet ist; ein System kann sich auch falsch verhalten. Der Begriff „Verhalten“ kann sinngemäß breiter angewendet werden als Funktion, die immer an die gewünschten Wirkungen gebunden ist.
System-Struktur
Mit dem Begriff der Struktur wird allgemein die innere Gliederung, Ordnung, der Bau oder Aufbau eines Systems bezeichnet. Man kann in demselben Sinne über ein Netz oder ein Gefüge von Elementen sprechen.
Struktur ist also die Menge der Elemente eines Systems und die Menge der, die Elemente miteinander verbindenden, Relationen.
Auf ein und demselben Objekt können viele Systeme und damit Strukturen definiert werden (Beispiel Mensch: Knochensystem, Kreislaufsystem, Nervensystem …).
Struktur ist die wichtigste Eigenschaft eines Systems neben dem Verhalten.
System-Umgebung
Die Umgebung (Umwelt) eines Systems ist theoretisch genommen alles, was in das betreffende System einbezogen wird. Praktisch aber beschränken wir uns nur auf die Umgebung, die durch die Gesamtheit aller Systeme gebildet wird. Wir bezeichnen diese „nahe“, direkte Umgebung als Wirkumgebung.
System-Input, Output
Input (Eingabe, Eingang) stellt die äußere Relation Umwelt zu System dar.
Output (Ausgabe, Ausgang) stellt die äußere Relation System zu Umwelt dar.
System-Eigenschaften, System-Bewerten
Jedes System, seine Elemente, seine Relationen besitzen eine Reihe von Eigenschaften, die dieses System innehat und die es genauer definieren – Größe, Gewicht, Geschwindigkeit, Form, Stabilität, aber auch Eignung zur Herstellung, zum Transport und besonders auch die Fähigkeit, etwas zu tun – das Verhalten.
Es gibt keine eigenschaftslosen Objekte. Doch die Ausprägung, das Maß (Wert, Qualität, Güte) der Eigenschaft ist verschieden.
Eigenschaft ist also jedes Merkmal, das einem beliebigen Objekt eigen ist und das dieses Objekt charakterisiert.
Um eine Gesamtcharakteristik eines Objektes z. B. beim Bewerten abgeben zu können, sucht man nach Kennzeichen, in denen meist mehrere Eigenschaften beinhaltet werden. Es wird dann vom Teilwert, vom Gesamtwert, von der Gesamtqualität oder von der Güte gesprochen.
System-Zustand
Die Gesamtheit der Werte aller Eigenschaften des Systems zu einem bestimmten Zeitpunkt bezeichnet man als den Zustand eines Systems.
Zwei Systemzustände können entweder gleich oder verschieden sein. Der Unterschied heißt die Differenz. Eine Differenz besteht zwischen den Zuständen eines Systems beim Übergang des Systems von einem Zustand in einen anderen.
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