Sonnek

Lernen

Wir alle haben auf irgendeine Weise einmal ganz von vorne anfangen müssen, so etwa anlässlich des Beginns unserer Berufslaufbahn. Auch bei neuen Sachverständigen verhält sich das nicht anders, selbst dann, wenn diese schon auf einige Erfahrung in einem erlernten Beruf zurückblicken können. Das wird einem dann bewusst, wenn man einen „Neueinsteiger“ begleitet oder mit ihm zusammenarbeitet. Aber erst im kritischen Rückblick auf eigene Erfahrungen ist man in der Lage, zu erkennen, was da in einem „Neuen“ wirklich vor sich geht und vor allem, was ihn in seiner Arbeit behindert.

Es war ein angeregtes Gespräch mit meinem lieben Kollegen Erich Plachel, seines Zeichens allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Fracht- und Tarifwesen, Warenverpackung, Speditionswesen, Transportschäden und Lagerhauswesen, das uns beide zum Thema im Titel dieses Beitrags geführt hat. Erich Plachel verfügt aus seiner langjährigen Tätigkeit heraus über weitreichende Erfahrung nicht nur sein Fachgebiet betreffend, sondern hat auch profunde Einsicht in die Arbeitsweise junger Sachverständigen-Kollegen gewonnen.

Häufige Verhaltensmuster von Neulingen

Wie es halt so kommt, sind dann auch meine eigenen Erlebnisse zur Sprache gekommen, nicht nur im Hinblick auf jüngere Kollegen, sondern auch auf meine eigenen Verhaltensweisen in der Zeit, als ich noch eher in die Kategorie „Greenhorn“ einzureihen war. Aus den oft unterhaltsamen Schilderungen all dieser Erlebnisse ließen sich einige wiederkehrende Verhaltensmuster herausschälen, die alsbald unsere Aufmerksamkeit erhielten. Beide versuchten wir dann, diese Muster zu kategorisieren: Das Ergebnis war eine Liste von vier Verhaltensmustern, die für Neulinge charakteristisch sind. Sie ist nachstehend wiedergegeben.

  1. 1. Übergenauigkeit und übertriebene Ausführlichkeit

Die Tätigkeiten von Neulingen scheinen noch sehr stark von ihrer eigenen Unsicherheit geprägt zu sein. Das hat zur Folge, dass sie sich genötigt fühlen, Äußerungen jeglicher Art möglichst detailliert und genau zu treffen. Dies nicht nur, um sich nur ja keine Blöße gegenüber den Auftraggebern zu geben, sondern auch sich selbst gegenüber. In extremen Fällen könnte sogar Schwurbelgefahr bestehen. Der Mut, etwas kurz und klar auszusagen, ist noch nicht ausgeprägt, vielleicht aus der Angst heraus, dadurch als zu wenig arbeitsfreudig gesehen zu werden.

  1. 2. Scheu, Unwissenheit zu zeigen oder zuzugeben

Unsicherheit kann dazu führen, dass sich ein Neuling nicht zu fragen traut und sich deshalb scheut, um ganz banale Auskünfte zu bitten. Ein Beispiel: Er steht vor einer Maschine, die er noch nie zuvor gesehen hat, aber jetzt begutachten soll. Weil er fälschlich davon ausgeht, dass alle Umstehenden voraussetzen, dass er sich selbstverständlich eh sofort und ganz von selbst auskennt, getraut er sich nichts zu fragen. Erklären lässt er sich auch nichts, weil ihm das als Schwäche ausgelegt werden könnte. Er macht viele Lichtbilder und hofft, sich die  nötigen Informationen später anderswo beschaffen zu können.

  1. 3. Übernahme von Verantwortung vermeiden

Menschen müssen mit Unsicherheiten leben. Das gilt auch und besonders für Sachverständige. Neulinge fühlen sich oft unwohl, wenn Aussagen nicht mit der vom Auftraggeber gewünschten Sicherheit getroffen werden können und mit Wahrscheinlichkeiten das Auslangen gefunden werden muss. Oder aber wenn aufgrund von nicht verfügbaren Informationen es nicht möglich ist, eine finale Stellungnahme zu verfassen. Neulinge scheuen auch oft, von sich aus einen Schlusspunkt zu setzen, wenn sie grundlos hingehalten oder endlos vertröstet werden.

  1. 4. Mangelnder Verlass auf gesicherte Quellen

Weil er selbst nicht alles wissen kann, muss ein Sachverständiger auf verlässliche Quellen zurückgreifen können, er muss wissen, wo etwas zu finden ist. Das gilt insbesondere für die Begründung von Fragebeantwortungen. Unsicherheit kann Neulinge mitunter dazu bringen, sich auf gelerntes Wissen und eigene Erfahrung zu verlassen, anstatt sich auf dokumentierte und für Fachleute zugängliche Nachweise zu stützen. Eigene Erfahrung eines Sachverständigen wird aber in der Gerichtspraxis an Gewicht verlieren, wenn etwa eine anerkannte Richtlinie oder eine gängige Norm etwas anderes aussagen.

Fazit: Neulinge müssen über ihren Schatten springen

In Konsequenz wird ein Neuling sich dann rasch weiterentwickeln, wenn er ehrlich zu sich selbst ist. Das heißt konkret: 1. Darstellungen nicht unnötig aufblasen, sondern sie auf ein vernünftiges, nüchternes Maß bringen. 2. Unwissenheit und Unkenntnis unumwunden zugeben, nichts beschönigen, sondern fragen, fragen, fragen … 3. Den Schlusspunkt setzen, wenn es notwendig ist, unnötige Verzögerungen vermeiden. 4. Verlass auf schriftliche Dokumente ist meist besser als Vertrauen auf eigenes Wissen und Können. Und last but not least: Einbekennen der eigenen Unsicherheit ist der erste Schritt zu mehr Sicherheit. Unnötiges Leiden lässt sich vermeiden!

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