Sonnek

SV

Ein nebeliger Herbsttag in einem ländlichen Ort in der Weststeiermark. Ich stehe seit einer knappen Viertelstunde vor einem kleinen Haus, dessen Heizungsanlage Gegenstand eines Gerichtsverfahrens ist. Es ist neun Uhr vormittags und eigentlich sollte vor Ort eine Gerichtsverhandlung stattfinden. Allein – außer mir ist keiner da. Keiner der beiden Anwälte, die ansonsten pünktlich sind, keine der Parteien und keiner der Zeugen, deren Vernehmung heute erfolgen sollte. Die einzige Person, die vorbeikommt, erklärt auf meine Frage in gebrochenem Deutsch, sie wohne im Nachbarhaus und hätte mit der Sache nichts zu tun.

Zweierlei ist klar: Erstens findet die Verhandlung hier heraußen am Land nicht statt. Zweitens hat es das Gericht aus irgendwelchen Gründen nicht geschafft, mich rechtzeitig davon zu verständigen. Ich sehe mich also richtiggehend versetzt in dem Sinn, dass ich umsonst warten muss. Was jetzt tun? In der Kälte weiter auszuharren, brächte nichts. Also Griff zum Telefon, zumindest das Gericht müsste Auskunft geben können. Zu meinem Glück bin ich aber über das örtliche Umfeld informiert und weiß, dass der Kläger nur ein paar Häuser weiter ein Unternehmen betreibt. Er müsste wissen, was los ist. Ich lasse meinen Koffer mit den Sachverständigen-Utensilien vor dem Haus stehen und mache mich auf.

Man finde die richtigen Personen ….

Der Kläger selbst ist im Unternehmen gerade nicht anwesend und auch nicht sofort zu erreichen. Aber wenigstens werde ich vom netten Firmenpersonal an eine Person weiterverwiesen, die über die Angelegenheit Bescheid weiß. Freundlich teilt diese mir mit, dass  der Termin wegen Erkrankung der Richterin abgesagt hätte werden müssen. Sie wundert sich nur, dass der Anwalt des Klägers mir das nicht mitgeteilt hat. Ich bedanke mich, frage aber höflich, ob ich denn, wenn ich ja ohnehin schon da bin, die Anlage, um die es im Streitfall geht, besichtigen darf? Das sei selbstverständlich möglich.

… und unbeschränkten Zutritt

Somit zurück zum Ort der abgesagten Gerichtsverhandlung. Die verschlossenen Türen öffnen sich, ich kann die Heizungsanlage – besser gesagt den Heizraum, der hier eine Rolle spielt – besichtigen. Es stellt sich heraus, dass besagter Raum so klein ist, dass darin nur eine Person, bestenfalls und mit Mühe zwei Personen Platz finden. Wie hätten wir hier eine Verhandlung abhalten können? So gesehen ist es ein Glücksfall, dass der Ortstermin abgesagt werden hat müssen, die Einbindung der Örtlichkeit hätte „verhandlungstechnisch“ kaum einen Vorteil gebracht und wäre außerdem für meine Erhebungen umständlich geworden.

Froh über konzentriertes Arbeiten …

Die Installationen im Heizraum sind nicht auf den ersten Blick zu durchschauen und in ihrer Ausführungsart gelinde gesagt nicht alltäglich. Die Enge des Raumes führt zu dicht gepackten Leitungsverläufen, die nur schwer eingesehen werden können. Nicht alle Einbauten lassen sofort ihre Sinnhaftigkeit erkennen. – So kann ich mich nun ausführlich und ungestört umsehen, kann diese Leitungsführungen in Ruhe nachvollziehen, Anlagenteile identifizieren, vorliegende technische Dokumentationen und Wartungsberichte durchsehen und schließlich einige Dutzend Lichtbilder aus unterschiedlichen Perspektiven aufnehmen.

… und froh darüber, versetzt worden zu sein

Froh über die Absage bin ich im Nachhinein auch deshalb, weil es ursprünglich mein Denkanstoß gewesen war, die Verhandlung mit den Zeugenvernehmungen vor Ort anzusetzen. Die Richterin war diesem Ansinnen gefolgt. Grund dafür war der, dass ich nicht Zeugen über eine Anlage befragen möchte, die ich zuvor noch nie gesehen habe. Ich sah mich also gezwungen, mir vor der Zeugenbefragung selbst einen Überblick zu verschaffen, zumal die im Gerichtsakt vorliegenden technischen Informationen sich als äußerst bruchstückhaft erwiesen hatten. Belegbare Fakten mussten her!

Was ist das Fazit?

Es war also aus meiner Sicht ein Glücksfall, versetzt zu werden. Denn erstens habe ich alle Informationen bekommen, die ich brauche, um in den Vernehmungen einen für das Gericht hilfreichen Beitrag leisten zu können. Das noch dazu stressfrei und mit viel weniger Mühe, als zu erwarten war. Zweitens erübrigt sich aus meiner Sicht eine weitere Verhandlung vor Ort, weil allein schon aufgrund der Lichtbilder ausreichend Informationen über die örtlichen Verhältnisse vorliegen, um darauf aufbauend fundierte Zeugenaussagen zu bekommen. Und drittens ist jetzt für das Gericht ein Sachverständiger verfügbar, der wirklich weiß, was Sache ist …

P.S.: Die Absage des Gerichts war auch eingelangt, am Firmen-E-Mail-Account um 6:30 Uhr morgens und auch nicht sofort als Absage erkennbar, nämlich als Nachricht, dass eine neue Benachrichtigung in meinem elektronischen SV-Postkasten bereit liegt. Ich habe meinen E-Mail-Eingang am Morgen vor Abfahrt aber nicht mehr überprüft …

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