Über diese Frage hab‘ ich zwar schon vor ziemlich genau fünf Jahren einen Blogbeitrag geschrieben (siehe hier). Darin bin ich einer Antwort zum größten Teil aus der Sicht eines Sachverständigen nachgegangen. Heute möchte ich dazu die Perspektive der auftraggebenden Kunden oder Klienten beleuchten. Dabei beschränke ich mich auf Gutachtensanfragen oder -aufträgen von privaten Personen, Organisationen oder Unternehmen. Nicht nur auf direkt bekanntgegebene Forderungen will ich eingehen, sondern auch auf ihre subjektiven Erwartungen und Motive. Und auf den Wert und den Preis eines Gutachtens.
Meine Antwort auf die Titelfrage ist eine spontane Gegenfrage: „Was kostet ein Auto?“ Darauf eine einfache Antwort zu finden, ist wohl nicht möglich. Wir können vielleicht noch ein Preisband angeben, mehr nicht. Der Preis eines Autos, das angeschafft werden soll, hängt bekanntlich von vielen Faktoren ab. Da sind zunächst objektive Kriterien, deren Erfüllung man leicht nachprüfen kann: Größe, Sitzplätze, Aufbau, Komfort, Ausstattung, Familientauglichkeit, Laderaum, Leistung, Antriebsart, Verbrauch, Farbe, Wiederverkaufswert, Versicherungs- und Steuerklasse.
Entscheidungen erfolgen nicht allein nach objektiven Kriterien
Wie wir wissen, ist es aber mit diesen Forderungen an das neue Fahrzeug zumeist noch nicht getan. Denn wie uns allen nur zu gut bekannt ist, kommen da einige subjektive Kriterien ins Spiel, die zum größten Teil nicht direkt ausgesprochen werden. Das sind die erwähnten Erwartungen und Motive, in denen weniger die Sachlichkeit, sondern eher die Emotion die Oberhand hat. Hier geht es sehr oft um Freude am Fahren, Erleben von Beschleunigung und Geschwindigkeit, Genuss von Luxus, aber vielleicht des Öfteren auch darum, dass man nach Außen zeigen will, wer man ist, um das Erregen von Aufmerksamkeit, um Bestätigung oder Prestige.
Sorgsames Abwägen
All diese objektiven und subjektiven Faktoren werden dann sorgsam gewichtet und an dem gemessen, was ihre Erfüllung kosten darf, oder anders gesagt, was ihre Erfüllung wert ist. Denn nach mehrmaliger Umkreisung des Objekts der Begierde im Schauraum des Händlers seines Vertrauens und der ernüchternden Begegnung mit der wirtschaftlichen Realität in Form einer Ausstattungs-Preisliste ist man nolens volens zu einigen Abstrichen bereit. Am Ende steht ein Kompromiss, der zwar die Vorfreude etwas zu dämpfen vermag, von dem man aber annimmt, mit ihm leben zu können.
Analogie bei Gutachten?
Wie weit lässt sich aus der geschilderten Anschaffung eines neuen Kraftfahrzeuges eine Analogie zur Erteilung eines Gutachtensauftrags ziehen? – Aus meiner Sicht ist eine solche durchaus gegeben. Denn auch im Fall der Einschaltung eines Gutachters haben wir es mit objektiven und subjektiven Kriterien zu tun, die den Auftraggeber zu seinem Schritt bewegen und die er logischerweise erfüllt haben möchte. Da wird zunächst eine Frage gestellt oder eine Liste von Fragen vorgelegt, die der Sachverständige beantworten soll. Auch der Zweck des Gutachtens wird genannt, hin und wieder wird auch angegeben, was es kosten darf.
Motive im Hintergrund
Aber wie schon beim fahrbaren Untersatz können auch beim Gutachtensauftrag einige subjektive Dinge eine Rolle spielen, die hier gar nicht so selten ausgesprochen werden. Da ist einmal der Wunsch, Recht zu bekommen. Oder aber auch nur die Absicht, in seiner Meinung bestätigt zu werden, vielleicht auch nur das Verlangen, ernst genommen zu werden. Nicht selten sind auch latente Rachegelüste spürbar, man will es einem vermeintlichen Gegner heimzahlen, indem man ihm das Gutachten vor den Latz knallt. Manchmal ist Zeitdruck im Spiel, eine wichtige Frist darf nicht verpasst werden.
Der Boden der Realität
Als Sachverständiger muss man auch den privaten Auftraggeber für ein Gutachten sehr oft auf den Boden der Realität herunterholen. Erstens in Bezug auf die Bereitschaft, überhaupt eines zu machen. Denn unlautere Absichten sind für Sachverständige ebenso ein Ablehnungsgrund wie der Wunsch nach einer gutachterlichen Gefälligkeit. Zweitens in Bezug auf den Preis. Private haben selten eine Vorstellung davon, was ein sorgfältig erstelltes Gutachten kosten kann, besser gesagt: kosten muss. Doch Auftraggeber, die eine klare Antwort auf ihre Frage bekommen, werden letztlich zugestehen: „Das Gutachten ist seinen Preis wert!“
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