Sonnek

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In einem Gerichtsurteil kommt ein Ingenieurbüro unerwartet zum Handkuss und wird zum Schadenersatz verurteilt, obwohl es weder mit dem angeblichen Schaden selbst noch mit seiner Ursache etwas zu tun hatte. Der persönlich gar nicht in den Bauablauf involvierte geschäftsführende Ingenieur dürfte einigermaßen fassungslos gewesen sein. Zu seinem Glück wurde das Verfahren wieder aufgenommen und nach Richterwechsel und mit neuem Anwalt stehen seine Chancen gut, dass für ihn die Sache mit Feststellung seiner Nichtverantwortung enden wird. Wie aber konnte es überhaupt so weit kommen?

Tatsache ist wohl: Für jeden Außenstehenden, der zufällig oder notgedrungen in eine derartige Örtlichkeit gerät, erscheint das Treiben auf einer Baustelle verwirrend, chaotisch, undurchschaubar, noch dazu laut, staubig, gefährlich, ungemütlich. Leute an Maschinen, Leute, die etwas schleppen, Leute, die sich Unverständliches zurufen. Überall Hindernisse, Absperrungen, Kabelstränge und Schlauchleitungen als Stolperfallen, grelle Baustellenleuchten und finstere Winkel, Abdeckplanen, Staubschutzwände. Nur rasch wieder raus, denkt sich einer, der unabsichtlich hineingerät.

Eine Fülle von Fachleuten …

Für die handwerklich tätigen Mitarbeiter ausführender Unternehmen sind das Orte mit ihren Arbeitsplätzen, an denen sie ihr tägliches Brot verdienen. Bauarbeiter, Poliere, Installateure für Heizung und Elektro, Isolierer, Innenausbauer, Maler, … die Reihe ließe sich noch fortsetzen. Dazu kommen noch die Leute von der Bauüberwachung, Techniker, getrennt nach ihren jeweiligen Gewerken. Letztere sind nicht immer anwesend, kommen aber in Erfüllung ihrer Verpflichtungen regelmäßig vorbei. Alle diese Leute, die von Berufs wegen da sind, lassen sich durch das scheinbare Durcheinander nicht ablenken. Sie wissen genau, was sie zu tun haben.

… arbeitet in orchestrierten Abläufen

Denn eine Gut geführte Baustelle ist ein genau orchestrierter Ablauf sorgfältig geplanter, nebeneinander ablaufender, ineinander verschachtelter und aufeinander abgestimmter Tätigkeiten. Jedes Gewerk hat einen genau definierten funktionellen und örtlichen Arbeitsbereich und ist zur reibungslosen Zusammenarbeit mit den anderen Gewerken angehalten. Ein Gewerk darf auch seinen Bereich nicht überschreiten oder den eines anderen Gewerks behindern. Auch die Leitung der Baustelle ist genau festgelegt. Man versucht, nichts dem Zufall zu überlassen. Trotzdem benötigt man längere Erfahrung, bis man die praktischen Vorgänge zum größten Teil durchschauen kann.

Unzureichender Durchblick

Nun stelle man sich die Herausforderung vor, dem sich ein Gericht gegenübersieht, das Licht ins Dunkel solcher verschachtelten Vorgänge bringen soll. Nehmen wir an, dass ein aufgetretener Schaden sich in einem Umfeld ereignet hat, in dem parallel zueinander insgesamt fünf Gewerke tätig waren. Das Gericht hat einen Gutachter bestellt, einen einzigen, der sich erwartungsgemäß nur in einem der Fachgebiete auskennt und die übrigen vier beiseitelassen muss. Dementsprechend muss auch das Gutachten insofern einseitig ausfallen, als es zu den Rollen und Aufgaben der übrigen vier Gewerke nichts sagen kann.

Argumentative Schieflagen

Zwangsläufig kann das Gericht nicht den notwendigen Durchblick über die Gesamtsituation gewinnen. Noch dazu ist die Bedeutung wichtiger technischer und organisatorischer Begriffe nicht klargestellt, was zu Aneinander-Vorbeireden etwa in Zeugenvernehmungen führen muss. Nochmals erschwert wird die Situation durch das Problem einerseits der fehlenden Sprachfertigkeit, andererseits das nicht vorhandene Wissen: Die Parteien haben das Fachwissen, können das aber nicht angemessen mitteilen, die Parteienvertreter könnten sich mitteilen, haben aber das Fachwissen nicht.

Der Weg aus dem Wirrwarr

Wie sieht ein möglicher Ausweg aus? Vor allem: Was können die von argumentativer Schieflage besonders betroffenen und deshalb im Verfahren „benachteiligten“ Parteien zur Herstellung eines Gleichgewichts tun? Im Blick auf kommende Verhandlungen vor Gericht können sie und ihre Vertreter Vorbereitungen in die Richtung treffen, dass sie Privatgutachten über ihre im Anlassfall vertraglich bedungenen und praxisüblichen Rollen erstellen lassen. Damit sollte auch dem Gericht der Blick durch das Baustellen-Wirrwarr soweit freigeräumt sein, dass ein Urteil gesprochen werden kann, das hält.

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