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Alle Berufe, die nur ausgeübt werden können, wenn ihre Klienten einen sehr hohen Vertrauensvorschuss mitbringen, haben sich üblicherweise Standesregeln verordnet – etwa Ärzte, Notare, Rechtsanwälte, Steuerberater, Ziviltechniker u. a. Solche Standesregeln enthalten solide Verhaltensgrundsätze und genaue Leitlinien, wie der Beruf auszuüben ist. Nun ist Sachverständigentätigkeit kein Beruf, sondern ist lediglich als berufsähnliche Tätigkeit anzusehen, die üblicherweise parallel zu einem Beruf ausgeübt wird. Trotzdem haben auch Gerichtsachverständige eigene Standesregeln – wozu eigentlich?

Ganz einfach zur Sicherheit, sowohl für Klienten als auch Saxhverständige selbst und weil Gerichtssachverständige ein Teil dessen sind, was wir durchaus als „Vertrauenswirtschaft“ bezeichnen können. Der Verhaltenskodex, den allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige – wie die richtige Bezeichnung lautet – verpflichtet sind einzuhalten, fasst im Grunde genommen ohnehin nur Regeln zusammen, die jeder rechtschaffene Mensch einhalten würde. Trotzdem gehören sie zusammengefasst und präzisiert, verlautbart und ihre Einhaltung eingefordert. Es steht jedem Sachverständigen gut an, wenn er sie sich von Zeit zu Zeit vor Augen hält.

Was bezwecken die Standesregeln konkret?

Zunächst der Hinweis, dass sich der Stand der Gerichtssachverständigen – zumindest der weitaus überwiegende Teil der Sachverständigen – zur Einhaltung der Regeln verpflichtet und deshalb diese Standesregeln auch veröffentlicht. Die Standesregeln mit Stand 2014 sind auf der Seite des Landesverbandes für Wien, Niederösterreich und das Burgenland einsehbar und können von dort heruntergeladen werden. Die Präambel der Standesregeln sprechen auch die Hoffnung aus, dass sie einen Beitrag zur Qualitätssteigerung der Gutachtertätigkeit beitragen und damit zur Verbesserung der österreichischen Rechtsprechung beitragen.

Leitlinien für gute Praxis

Angesprochen werden die Forderungen nach Unabhängigkeit, Objektivität und Unparteilichkeit in der praktischen Tätigkeit verbunden mit dem Hinweis, dass Sachverständige in Österreich Hilfsorgane des Gerichts sind und damit einen Teil der Rechtspflege darstellen. Hingewiesen wird auf die Sorgfaltspflicht bei der Erstellung von Befund und Gutachten und auf die Bedeutung der vollständigen und treuen Wiedergabe von augenscheinlichen Wahrnehmungen. Großes Gewicht wird naturgemäß auch darauf gelegt, dass die Leistungen des Sachverständigen nach bestem Wissen und Gewissen und entsprechend den Regeln der Technik erbracht werden.

Korrektes Verhalten ist Voraussetzung

Korrektes Verhalten wird auch dahingehend verlangt, dass unerlaubte Vergünstigungen oder Zuwendungen nicht nur dem Sachverständigen, sondern auch seinen Mitarbeitern verboten sind. Klar ist auch dass keine gesetzwidrigen Handlungen gesetzt werden dürfen. Wichtig ist auch das Gebot der Verschwiegenheit nicht nur im Zusammenhang mit der eigenen Arbeit, sondern auch dahingehend, dass Sachverständige sehr oft in Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse eingeweiht werden oder dass im Zuge der Tätigkeit Wahrnehmungen gemacht werden, die Außenstehenden nicht zugänglich sein dürfen.

Auftritt nach außen

Sehr großes Augenmerk legen die Standesregeln auf den Auftritt von Sachverständigen, insbesondere im Hinblick auf Werbung. So ist letztere schlichtweg verboten, wenn darunter schlichte Reklame verstanden wird. Im Grunde ist alles unzulässig, was über bloße Mitteilung von Sachverhalten hinausgeht. Das gilt natürlich auch für Auftritte im digitalen Bereich. Undeutliche, zweideutige oder gar irreführende Angaben sind verpönt. Klar ist auch, dass die Bezeichnung als gerichtlich zertifizierter Sachverständiger in der Beschreibung einer Unternehmenstätigkeit nichts zu suchen hat.

Honorierung von Sachverständigen

Breiten Raum nimmt die Honorierung der Sachverständigentätigkeit ein, die im Zusammenhang mit Aufträgen von Gericht oder Staatsanwaltschaft stets auf Grundlage des Gebührenanspruchsgesetzes (GebAG) zu erfolgen hat. Honorare für Privatgutachten können natürlich frei vereinbart werden. Wichtig ist auch die Verhältnismäßigkeit: Wenn Sachverständige erkennen, dass ihr Honorar eine im Verhältnis zum Streitwert des Verfahrensgegenstandes ähnliche Größenordnung aufweisen wird, sind sie dazu angehalten, die Auftraggeber zu warnen. Auch wenn ein hoher Kostenvorschuss erforderlich wird, ist entsprechend darauf hinzuweisen.

Praktisches Verhalten in Gutachtenserstellung

Dieser Themenbereich nimmt ein umfangreiches Kapitel der Standesregeln ein. Gegenstand sind unter anderem Fragen im Zusammenhang mit der Prüfung von inhaltlicher, zeitlicher und finanzieller Machbarkeit. Behandelt wird auch die Forderung, dass nicht nur Befangenheit, sondern schon der Anschein einer solchen strikt zu vermeiden sind. Ausführlich werden die Gründe behandelt, die Anlass zu Befangenheit geben können. Sachverständige müssen auch penibel den gegebenen Auftragsumfang einhalten, wobei der Auftrag selbst in persönlicher Verantwortung des Sachverständigen zu erbringen ist.

Für Privatgutachten gelten dieselben Regeln

Der genannte Abschnitt enthält noch eine Vielzahl weiterer Forderungen, die es sich lohnt, selbst zu studieren. Ein weiteres Kapitel befasst sich mit den Regeln für Privatgutachten. Für solche ist genau anzugeben, wer der Auftraggeber ist. Hier wird übrigens eine ganz klare Trennung vorgenommen: Sobald der Sachverständige für einen Auftraggeber tätig ist – also in dessen Interesse – soll nach Standesregeln ein Hinweis auf den gerichtlich zertifizierten Sachverständigen unterbleiben. Meine persönliche Sicht ist dazu etwas anders: Es darf kein Gutachten erstellt werden, sondern lediglich ein Beratungsbericht.

Verhalten gegenüber Kollegen

Zuletzt gehen die Standesregeln noch auf den Umgang mit Kollegen ein. Es ist offensichtlich, dass unsachliche und herabsetzende Kritik in diesem Zusammenhang verpönt sind. Es gilt der Grundsatz der Kollegialität, auch in harten Auseinandersetzungen. Meine Meinung dazu: Sachliche Kritik muss in allen Fällen erlaubt sein und ist auch notwendig, wenn Argumente etwa gegen ein Gutachten vorgetragen werden. Bei direkten Auseinandersetzungen kann man sich an den Sachverständigenverband wenden, der einen Schlichtungsausschuss damit betrauen kann.

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