Sonnek

Eule

In Wikipedia findet sich eine interessante Definition: Weisheit (engl. wisdom, altgr. σοφία, lat. sapientia, hebr. hokhmah) bezeichnet vorrangig ein tiefgehendes Verständnis von Zusammenhängen in Natur, Leben und Gesellschaft sowie die Fähigkeit, bei Problemen und Herausforderungen die jeweils schlüssigste und sinnvollste Handlungsweise zu identifizieren. Wenn ich das langsam durchlese und insbesondere den letzten Teil beachte, wird mir bewusst, wie dringend wir alle, aber ganz besonders wir Sachverständigen ein üppiges Maß an Weisheit benötigen, um unsere Arbeit gut erledigen zu können.

In meinem Bücherschrank steht „Meyers Enzyklopädisches Lexikon in 25 Bänden“, nach und nach erschienen im Lauf der Jahre 1979 bis 1981. Das sind also jetzt rund vierzig Jahre her. Im Band 25 (880 Seiten, gewogen 2,2 kg!) findet sich eine etwas andere Definition, die wesentlich weiter greift und den Begriff vertieft:

Weisheit,

  1. 1. im Unterschied zur Klugheit menschl. Grundhaltung, die auf einer allgemeinen Lebenserfahrung und einem umfassenden (nicht nur rationalen, wissenschaftl.) Verstehen und Wissen vom Ursprung, Sinn und Ziel der Welt und des Lebens sowie um die letzten Dinge gegründet ist;
  2. 2. die dieser Grundhaltung entsprechenden Handlungsweisen.
A

Wenn man diese letzte Definition näher betrachtet und annimmt, wird klar, dass Weisheit nicht bloß eine oberflächliche Eigenschaft eines Menschen darstellt, sondern eng mit seiner Person, seinem Charakter, mit seinen tief verwurzelten Vorstellungen oder innigsten Überzeugungen verbunden ist, anders gesagt seiner Glaubenswelt entspringt.

Das führt mich gleich zu den nächsten Fragen:

Woran erkenn ich, dass mein Verständnis von Weisheit richtig ist? Nicht nur für mich richtig ist, sondern auch für meine Mitmenschen, für meine gesellschaftliche Umwelt? Richtig als Werkzeug für meine Tätigkeit als Sachverständiger und Freiberufler, schließlich trage ich nicht nur für meine Familie Verantwortung, sondern auch für meinen Beruf, der mir viele und nicht einfache Verpflichtungen aufbürdet? Wie macht sich Weisheit in allen meinen privaten und beruflichen Äußerungen bemerkbar?

Auf der Suche nach Antworten …

… bietet sich ein Blick in die Weisheitsliteratur an, womit einige biblische Bücher gemeint sind. Näheres dazu kann der geneigte Leser selbst in Wikipedia nachschlagen, besser gesagt nachklicken. Ich bleibe aber gleich in der Bibel, allerdings in einem anderen Abschnitt. Ein gewisser Jakobus macht sich in seinem Brief Gedanken über das praktische christliche Leben und liefert in Kapitel 3 im Vers 17 eine äußerst Interessante Checkliste darüber, WIE sich von Gott gegebene Weisheit erkennbar macht, die er Weisheit von oben nennt (hier wiedergegeben aus der Elberfelder-Übersetzung):

Die Weisheit von oben aber ist erstens rein, sodann friedvoll, milde, folgsam, voller Barmherzigkeit und guter Früchte, unparteiisch, ungeheuchelt.

Acht Eigenschaften der Weisheit von oben

Die Aufzählung weist insgesamt acht Eigenschaften aus, die es wert sind, einer näheren Betrachtung unterzogen zu werden. Ich habe – mit der Unterstützung von an der Definition interessierten Familienmitgliedern – versucht, die genannten Begriffe, über die man ansonsten leicht hinwegliest, zu präzisieren und ihre tiefere Bedeutung herauszustreichen. Dahinter steckt auch so etwas wie aus gutachterlicher und wissenschaftlicher Tätigkeit inspirierte Neugierde, einer Sache auf den Grund zu gehen.

Ein Spiegel zur Selbstprüfung

Zu jeder Eigenschaft habe ich auch noch meine eigene Deutung hinzugefügt, die mit der beruflichen Praxis zusammenhängt. Damit soll demjenigen, der an sich selbst hohe ethische Standards legt – was für jeden Sachverständigen selbstverständlich sein soll – ein Katalog gegeben werden, in dessen Spiegel er eine Selbstprüfung vornehmen kann. Klarerweise kann jede meiner Interpretationen das jeweilige Thema nur anreißen, aber alle Lesenden sind aufgerufen, die Themen für sich selbst auszuweiten und ihre eigenen Ansätze zur persönlichen Verbesserung zu finden.

So, jetzt aber

Weisheit von oben ist REIN

-          Hinter diesem Begriff stehen Lauterkeit, Unschuld, aus meiner Sicht aber auch Transparenz, Klarheit, was die Aussagen in einem Gutachten oder Bericht betrifft, ganz praktisch ist darüber nachzudenken, was ich noch verbessern kann, um Formulierungen einfacher und damit verständlicher machen kann

Weisheit von oben ist FRIEDVOLL

-          Erweitern ließe sich der Begriff mit friedsam oder friedensstiftend; ganz praktisch kann man versuchen, dahingehend einzuwirken, dass Situationen eskalieren oder Sachlagen unnötig betont oder gar aufgebauscht werden, dass man sich Formulierungen genau überlegt, denn oft gilt: „der Ton macht die Musik“

Weisheit von oben ist MILDE

-          Andere Worte dafür sind freundlich, gütig, oder das kaum noch verwendete Wort gelinde; hier kommt die Rolle des Dienstleisters ins Spiel, der das Beste für seinen Klienten will, der auch unter Stress von Aufgaben nicht seinen Blick auf die Bedürfnisse seiner Kunden verliert und ihnen zugewandt bleibt

Weisheit von oben ist FOLGSAM

-          Unter Folgsamkeit ist hier nicht Willenlosigkeit zu verstehen, sondern die Bereitschaft, sich etwas sagen zu lassen und Korrektur anzunehmen, wo es nötig ist; Jedem unterlaufen Fehler, es ist immer besser, sie unumwunden einzugestehen, Rechthaberei als genaues Gegenteil bringt nur Schaden

Weisheit von oben ist VOLLER BARMHERZIGKEIT

-          Der Begriff Erbarmen ist zugegeben alles andere als populär, grundsätzlich geht es darum, nicht in die Falle von Vorurteilen zu fallen, Benachteiligte nicht zu übergehen, oder auch uns unverständlichen Verhaltensweisen oder auch überhitzten Angriffen nachsichtig zu begegnen

Weisheit ist VOLL GUTER FRÜCHTE

-          In einer anderen Übersetzung lautet das: Weisheit bringt Gutes hervor; Eine gute Arbeit hinterlässt keinen schalen, oder bitteren Nachgeschmack. Selbst ein von einem Gutachten negativ Betroffener soll Achtung und Respekt erfahren und das Ergebnis ohne Groll anerkennen können

Weisheit ist UNPARTEISCH

-          Befangenheit und auch nur der Anschein von Befangenheit sind große Gefahren für jeden Sachverständigen; emotionale Zuneigung zum scheinbar Schwächeren ist genauso wenig zulässig wie verschleierte Sympathie gegenüber Einflussreichen. Ansehen der Person darf nicht mit Gefälligkeit einhergehen.

Weisheit ist UNGEHEUCHELT

-          Hier geht es schlicht um Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit; Man kann immer bei der Wahrheit bleiben, Notlügen sollen genauso verpönt sein wie jede Art der Lüge, des Verdrehens oder des Überzeichnens oder Untertreibens. Man muss immer und in jeder Situation zu dem stehen können, was man von sich gibt.

Noch ein Wort zum Begriff Klugheit

Meyers Enzyklopädisches Lexikon nimmt eine Begriffsabgrenzung von Weisheit zu Klugheit vor. Band 13 definiert so: Klugheit, eine – unterschieden von Weisheit – der Ratio, dem Verstand zugeordnete Eigenschaft und Fähigkeit, Handlungsziele zu erkennen und unter rationellem Einsatz der Mittel zu ihrer Realisierung zu verfolgen (Gegensatz: Torheit) (…). Klugheit stützt sich ausschließlich auf den Verstand, Weisheit hingegen greift wesentlich weiter. Weisheit von oben erst recht. Oder: Klugheit ist gut, Weisheit ist besser.

Es gibt also triftige Gründe, sich um Weisheit von oben zu bemühen. Das Sprichwort eines mir Unbekannten sagt es noch treffender:

Klugheit ist die Fähigkeit, aus einer schwierigen Situation herauszukommen, in die man mit Weisheit gar nie geraten wäre.

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