Fragestellungen im Gerichtsauftrag haben sehr oft einen Sachverhalt zum Gegenstand, der nicht nur ein, sondern zwei oder manchmal sogar mehrere Fachgebiete betrifft. Das hat zur Folge, dass ein Gutachten fachübergreifend erstellt werden muss. Diese Bedingung erfordert wiederum ein Zusammenwirken von Sachverständigen, das im Sinne aller Beteiligten möglichst reibungslos und effizient erfolgen soll. Um die gemeinsame Vorgangsweise entsprechend zu gestalten, sind einige Gegebenheiten zu beachten, die anhand eines realen Fallbeispiels aus der Gebäudetechnik beleuchtet werden sollen.
Vorauszuschicken ist, dass die Gewerke der Haustechnik – Heizung, Lüftung, Klimatechnik, Sanitärtechnik, Schwimmbadtechnik etc. – an sich schon sehr vielfältig sind und sich diese nochmals in verästelte Untergebiete auffächern. Des Weiteren können die meisten dieser Haustechnik-Gewerke nur in Abstimmung oder gar nur in enger Verflechtung mit einer ganzen Reihe anderer Gewerke errichtet werden: Bautechnik, Elektrotechnik, Innenausbau mit allen Untergewerken wie etwa Fliesenleger, Sicherheitstechnik, Informationstechnik etc. Daraus ergeben sich Abstimmungsbedürfnisse, die durchaus komplex sein können. Unter solchen Umständen passieren Fehler, die – wenn sie nicht behoben werden – zu Streitigkeiten Anlass geben können.
Sole-Schwimmbecken
Der Sachverhalt, um die es hier geht, ist einfach erzählt, aber nicht einfach zu erklären. In einem weitläufigen Privatwohnhaus gehobenen Standards befindet sich im Kellergeschoß ein Wellness- Bereich. In dessen Boden ist ein Schwimmbecken aus Beton eingelassen, das mit einer Kunststofffolie ausgekleidet ist. Das Schwimmbecken ist mit Sole – salzhaltigem Wasser – gefüllt, das aufbereitet ist und regelmäßig umgewälzt wird. Einige Zeit nach der Inbetriebnahme bemerkten die Benutzer, dass am Boden des Beckens und besonders nahe den Einlaufdüsen allmählich Verfärbungen auftraten und sich körnige Ablagerungen ansammelten.
Massive Korrosion
Die Verunreinigungen trübten das Badevergnügen bis zu dem Punkt, dass die Eigentümer in diesem Zustand das Becken nicht mehr benutzten. Das Becken wurde daraufhin völlig entleert, gereinigt und neuerlich befüllt. Die Reinigung hatte auch gezeigt, dass fast sämtliche Einbauteile, die aus Rotguss bestanden, trotz vom Hersteller verbriefter Beständigkeit gegen Sole massiv korrodiert waren. Der Installateur, der die Schwimmbadtechnik geliefert und installiert hatte, veranlasste den Austausch einzelner Teile. Zugleich warnte sein Rechtsvertreter davor, dass die Korrosion wiederum auftreten werde. Er erklärte dies damit, dass die aus Rotguss bestehenden Wand- und Bodendurchführungen vermutlich nicht an den Potentialausgleich angeschlossen worden seien.
Fragen des Gerichtsauftrags
Genannter Sachverhalt war nun Teil eines Gerichtsverfahrens zwischen Installateur und den Errichtern des Wohnhauses. An den Sachverständigen für Haustechnik erging unter anderem der Auftrag, festzustellen, was es mit der Korrosion auf sich habe, ob die Einbauteile tatsächlich korrosionsfest wären und ob auch die Sole Auslöser hätte sein können, ob der Potentialausgleich fehlen würde und ob die Herstellung desselben in die Verantwortung des Installateurs gefallen wäre. So weit, so gut. Ein Haustechniker kann zu allen Fragen etwas sagen. Aber: Er ist kein Sachverständiger für Korrosion und keiner für Potentialausgleich.
Bestellung weiterer Sachverständiger
Der Richter erwartet sich vom Haustechniker Vorschläge. Alle jene, die entweder mit dem gegenständlichen Objekt oder mit einer der beteiligten Parteien Kontakt hatten, scheiden aus, auch wenn sich keiner befangen fühlen mag. Aber: Es ist schon der Anschein der Befangenheit zu vermeiden. Das Gericht bestellt einen Sachverständigen für Metallurgie, der sich gut mit Korrosion auskennt. Wer kann überprüfen, ob ein Potentialausgleich vorhanden ist? Ein Blitzschutzbauer erklärt sich dazu bereit. Der aber ist kein Sachverständiger, sondern gilt als Helfer. Der Richter bestellt auf Verlangen der Parteienvertreter einen Sachverständigen für Elektrotechnik, der die Tätigkeit des Blitzschutzbauers überwacht und protokolliert.
Vorhabensbericht
Jetzt wissen wir was zu tun ist und wer es tut. Fehlt noch, wann es getan werden kann. Der Metallurg kann Proben der Ablagerungen erst entnehmen, wenn das Becken leer ist. Das muss zuvor das Unternehmen erledigen, das das Schwimmbad betreut. Nach dem Metallurgen kommt die Messung des Potentialausgleichs an den Rohrdurchführungen mitsamt deren Überwachung. Die Durchführungen müssen zuvor vom Schwimmbadtechniker freigelegt werden. Nach den Vorabstimmungen mit den Teilnehmern wird ein genauer Vorhabensbericht erstellt und an alle Beteiligten versandt.
Rasche Befundaufnahme
Dank bestmöglicher Vorarbeit durch die Hauseigentümer und wegen der Pünktlichkeit aller Teilnehmer kann die Befundaufnahme durch die Sachverständigen und die Hilfskraft rascher als geplant abgewickelt werden, sodass für alle Beteiligten nur ein minimaler Zeitraum aufzubringen war. Das alles mit aussagekräftigem Ergebnis. Wichtig war auch, dass sich Sachverständige und Hilfskraft dank ihrer Sozialkompetenz sehr rasch persönlich abstimmen und aufeinander einstellen konnten. Nachdem das weitere Prozedere und die Abrechnungsmodalitäten geklärt waren, konnten die Externen ihre Heimreise antreten.
Was noch kommen wird
Für die Gutachtenserstellung hat das Gericht einen recht knappen Zeitrahmen gesetzt, der aber voraussichtlich eingehalten werden kann. Knackpunkt wird sein, ob der Metallurg rasch genug einen Termin in der Elektronenmikroskopie bekommen kann. Metallurg und Elektrotechniker werden ihre Ergebnisse mit separaten Gutachten an den Haustechniker übermitteln, der die Ergebnisse in sein Gutachten einarbeitet und alle Unterlagen mitsamt Honorarnoten an das Gericht weiterleitet. Die Sachverständigen stellen sich darauf ein, dass sie sich anlässlich der zu erwartenden Gutachtenserörterung wieder treffen werden.