Fragen spielen aus der Sicht eines Sachverständigen in einem Gerichtsverfahren eine zentrale Rolle. Im Laufe eines Verfahrens kommen Fragen auf, die nur der Fachexperte beantworten kann. Das Gericht fasst sie in einem Beschluss zusammen und beauftragt den Sachverständigen, eine Antwort darauf zu geben. Was aber aus verschieden Gründen oft nicht klappt: Etwa wenn die Sache in ein anderes Fachgebiet gehört, wenn eine Antwort darauf mangels ausreichender Grundlagen nicht möglich ist oder wenn Fragen für das Verfahren zweitrangig oder gar unwichtig werden. Das war in der Verhandlung heute der Fall.
„Das Gericht besucht sie auch gerne einmal zu Hause!“ – Einen Werbespruch dieser Art gibt es nicht, er würde wohl bei vielen eher ein mulmiges Gefühl hinterlassen. Der kleine Scherz sei aber erlaubt, denn in meiner Laufbahn ist es schon des Öfteren vorgekommen, dass eine „Tagsatzung“, wie das so schön im Gerichtsdeutsch heißt, in privaten Räumen oder Liegenschaften stattgefunden hat. Dass ist zweckmäßig, wenn sich zum Beispiel der Richter selbst einen Überblick verschaffen möchte oder aber wenn Sachverhalte vorliegen, die nur durch richterlichen Ortsaugenschein oder Vernehmungen vor Ort geklärt werden können.
Konzentration auf Wesentliches …
In meinem Fall ging es aber um das Thema Fragen. Das gegenständliche Gerichtsverfahren dauerte schon eine ganze Weile, meine erste Befundaufnahme lag schon ein Jahr zurück. Seither hatte es mehrere Verhandlungen mit Vernehmung von Parteien und Zeugen gegeben. Die ursprünglich der Befundung zugrundeliegenden Fragen des Gerichts hatten in der Zwischenzeit einiges an Zuwachs bekommen, ergänzende Befundaufnahmen waren erforderlich geworden. Dazu kam, dass sich aufgrund der Zeugenaussagen und der Ereignisse der Fokus des Verfahrens allmählich auf wenige Fragen zu konzentrieren begann und die anderen in den Hintergrund traten.
… führt zum Setzen von Prioritäten
Im Endeffekt hatte dies zur Folge, dass die vollständige Klärung der Sachverhalte und die Beantwortung der wenigen zentralen Fragen in rechtlicher Hinsicht ausreichen würden, um in der Sache ein Urteil zu sprechen und das Verfahren in dieser Instanz zu beenden. Die Beantwortung der restlichen – etwa zwanzig – Fragen wäre somit nicht erforderlich. Für mich bedeutete dies zweierlei: Erstens wurde der Gutachtensauftrag auf die Beantwortung der wenigen Fragen eingeschränkt, das Gutachten würde also wesentlich kürzer ausfallen als ursprünglich vorgesehen.
Kosten und Termine
Zweitens hatte ich aber auch zu beachten, dass bereits beträchtlicher Zeitaufwand in die Beantwortung der restlichen Fragen gesteckt worden war. Meine erforderliche Reaktion darauf war ein entsprechender Hinweis an Richter und Parteienvertreter. Diese nahmen den genannten Betrag zur Kenntnis und auch den noch zu erwartenden Aufwand. Danach wurde noch die Terminsituation erörtert, was insofern spannend war, dass wir alle noch nichts vom kommenden Lockdown wussten. Alle geplanten Termine waren für die Zeit danach angesetzt. Kann nur hoffen, dass weitere Sachverständige und Hilfskräfte mitspielen.
Offensichtliches und Unbeantwortbares
Erwähnenswert war auch die Tatsache, dass die Antwort auf einzelne Fragen bereits in den Unterlagen im Gerichtsakt vorlag. Was macht ein Sachverständiger dann? Jedenfalls nicht schnoddrig rückfragen, ob man nicht selbst das Offensichtliche erkennen könne. Nein, stattdessen wird er nüchtern und kommentarlos den Sachverhalt darlegen. Andere Fragen betrafen völlig oder großteils andere Fachgebiete als mein eigenes, hier mache ich gleich Vorschläge, welche Fachgröße dafür in Frage käme. Es ist leichter, mit jemandem zusammenzuarbeiten, den man bereits kennt und mit dem man gute Erfahrungen gemacht hat.
Noch Fragen?
Zwei Fragen waren schlicht nicht zu beantworten. Eine deshalb, weil dafür Teile der Anlage, um die es hier ging, hätten zerstört und wieder aufgebaut werden müssen. Außerdem wäre im gerade bevorstehenden Winter der Heizbetrieb für einige Zeit unterbrochen gewesen. Die zweite, weil die betreffende Sache schon verbaut und damit unzugänglich war und dazu auch keine ausreichende Dokumentation etwa in Form von Lichtbildern vorgelegen ist. – Soweit mein aktuelles Fallbeispiel. Der Antworten wird aber erst am Schluss des Verfahrens ein Ende sein, wenn ich am Ende in der zu erwartenden Gutachtenserörterung nur mehr ein “Nein“ bekomme auf meinen Schlusssatz „Noch Fragen?“