Sachverständige können als Gutachter und Berater tätig sein. Beide Rollen dienen völlig verschiedenen Aufgaben und sind strikt zu trennen. Darüber habe ich an dieser Stelle schon öfter geschrieben. Diese Woche konnte ich in einer Befundaufnahme und in einer externen Gerichtsverhandlung wieder einmal miterleben, wie schwer es in der Praxis oft ist, diese Rollen auch in Gerichtsfällen sauber auseinanderzuhalten. Wobei Grenzüberschreitungen vom Gutachter zum Berater und wieder zurück nicht dem Fehlverhalten von Sachverständigen zuzuschreiben sind, sondern sich einfach aus der Dynamik der Ereignisse ergeben können.
Streitgegenstand war in beiden Fällen eine defekte Haustechnikanlage, die Verfahren befanden sich in unterschiedlichen Stadien, in beiden Fällen stand aber der Gerichtsbeschluss längst fest und damit die Fragen des Gerichts an den Sachverständigen. In der Folge hat der Sachverständige nichts anderes zu tun, als diese Fragen nach bestem Wissen und Gewissen zu beantworten. Es handelt sich um Antworten auf reine Fachfragen, die Antworten dienen aber einem juristischen Zweck, zum Beispiel der Klärung der Verschuldensfrage. Was darüber hinaus Streitparteien – zumindest eine davon – oft brennend interessiert, ist die technische Lösung des Problems, das überhaupt erst zum Gerichtsverfahren geführt hat.
Betroffene fordern ihr Recht ein, wollen aber auch ihre Probleme gelöst sehen
Ein Geschädigter will wissen, wie seine nicht oder schlecht funktionierende Anlage in Schwung gebracht werden kann, einem anderen ist ein Anliegen, zu erfahren, was denn nun der aktuelle Stand der Technik und wie dieser in seiner Anlage zu erreichen sei, ein dritter sucht Argumente, mit denen er die für ihn enttäuschende Anlage wieder loszuwerden vermag. Oder aber die Parteien und der Richter tun sich zusammen und wollen vom Sachverständigen etwas wissen, was über seinen Auftrag hinausgeht oder gar nichts mit seinem Gerichtsauftrag zu tun hat. Befundaufnahmen, Gerichtsverhandlungen mit Vernehmungen oder Gutachtenserörterungen bieten den Rahmen dazu.
Keine Beratung ohne Auftrag und ohne Honorar
Sachverständige sind in diesem Fall genau genommen nicht mehr nur Helfer des Gerichts oder Beweismittel, wie es das Gesetz vorsieht, sondern sie werden zu gut informierten Auskunftspersonen. Sie wechseln aus der Tätigkeit eines Gutachters in die eines Beraters, allerdings mit der Besonderheit, dass sie für die zweite Tätigkeit keinen Auftrag besitzen. Sie geben damit Wissen weiter, für dessen Vermittlung sie aber auch keinen Anspruch auf Vergütung haben. In sehr vielen Fällen wird der vermittelte Rat von den Empfängern zwar durchaus geschätzt, dessen Wert aber nicht wahrgenommen und nicht gebührend anerkannt.
Die ersten Ratschläge sind oft besonders wertvoll
Techniker wissen, dass in einen Beratungsfall es gerade die ersten weitergegebenen Informationen sind, die sehr oft „weichenstellenden“ Charakter besitzen. Das bedeutet, dass der Beratene bereits aus ersten Beratungsphasen überdurchschnittlich hohen Nutzen ziehen kann. Erfahrene Berater wissen dies und sichern sich deshalb vor Beratungsbeginn vertraglich ausreichend dahingehend ab, dass es nicht zu einem „Das war aber sehr interessant! Dankeschön!“ kommt, bei dem der Berater zwar mit einem freundlichen Händedruck, aber ansonsten mit leeren Händen entlassen wird.
Was der Sachverständige tun wird
Was ist also bei Gericht zu tun, wenn sich der Sachverständige wieder einmal in der Gefahr sieht, im Rahmen eines Gerichtsverfahrens über die Grenze zur Beratung gelockt zu werden? Ich denke, er sollte sich zuallererst ins Gedächtnis rufen, dass er als Helfer des Gerichts bestellt worden ist, nicht aber als Helfer einer Partei oder auch beider Parteien! Das ist in meinen Augen ein riesiger Unterschied, denn im zweiten Fall würde er zwangsläufig auch seine Unabhängigkeit verlieren. Zweitens muss er diesen Unterschied zwar sanft, aber nachdrücklich den Akteuren des Verfahrens deutlich machen.
Den richtigen Weg zur Problemlösung zeigen
Und drittens wird er in seiner vom Gesetz definierten Rolle als Gutachter natürlich Mängel aufzeigen und Ansätze für Verbesserungen liefern können. Dies aber nur so weit, wie er dies im Rahmen seiner Gutachtertätigkeit und ohne Aufgabe seiner Unabhängigkeit tun kann. Er wird darauf hinweisen, dass er für eine Problemlösung und deren detaillierte Umsetzung im Sinne der daran interessierten Partei oder Parteien nicht der richtige Ansprechpartner sein kann. Er wird an einen anderen Kompetenten verweisen, vielleicht sogar an einen Sachverständigen-Kollegen, der in diesem Fall gerne als Berater tätig wird …
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