Sonnek

Adler

Und wieder einmal eine Gerichtsverhandlung. Anfahrt bei wunderschönem Frühlingswetter. Vorbesprechung und Verhandlung mit dem obligaten Masken-Mummenschanz. Im Gerichtssaal Kojen mit Plexiglas-Verschlag, also alles wie gehabt. Diesmal eine Zivilrechtssache vor einem Bezirksgericht. Einvernahmen der Parteien und eines Zeugen. Teils hitzige Diskussionen. Noch ein Vorbringen, eine neue Urkunde zum Akt. Gutachtenserörterung, schriftliche Ausarbeitung ausgeteilt, Erläuterung, keine weiteren Fragen der Parteienvertreter. „Wenn Sie bitte aufstehen. Im Namen der Republik …“

Der Richter hat das Urteil gleich in das Diktiergerät gesprochen und stichwortartig begründet. Das in diesem Fall aufgrund der Sachlage eindeutige Gutachtensergebnis mit Wertaussagen über tatsächliche Gegebenheiten war eine der Entscheidungsgrundlagen. Der Streitwert lag bei nur einigen hundert Euro. Die Kosten der Gerichtsgutachten lagen zusammengerechnet bei etwa dreitausend Euro. Ein krasses Missverhältnis. Selbst dann, wenn alle Beteiligten über eine Rechtsschutzversicherung verfügen, fragt sich nicht nur ein Sachverständiger, wo hier die Vernunft bleibt.

Manche Verfahren erscheinen absolut unnötig

In den Worten des Richters vor der Urteilsverkündigung war angesichts der Verfahrensergebnisse deutlich der Unmut darüber zu spüren, dass es angesichts eines derart niedrigen Streitbetrags überhaupt zu einem Gerichtsverfahren gekommen war. Eine frühe Einsicht des nunmehr als Verlierer dastehenden wäre ihm nicht nur billiger gekommen, sondern hätte allen Beteiligten eine Menge Zeit, Mühe und auch Ärger erspart. Ob es Fehleinschätzungen über die Stärke der eigenen Position waren oder Leichtgläubigkeit gegenüber einem allzu sicheren Rechtsvertreter – wir wissen es nicht und wollen es gar nicht wissen.

Keine Illusionen über Möglichkeiten des Sachverständigen

Der Grund für meine vorherigen Ausführungen liegt in bestimmten Erfahrungen im Umgang mit Menschen allgemein und mit Streitparteien im Besonderen. Früher habe ich mir oft die Frage gestellt: Was kann ich – was kann ein Sachverständiger – dazu beitragen, dass insbesondere solche sinnlos erscheinenden Streitfälle schneller beendet werden können? Meine Hoffnung war es, anlässlich des Ortstermins neben meiner eigentlichen Aufgabe der Tatsachenfeststellung auf Parteien und Vertreter in irgendeiner Weise vermittelnd einwirken zu können, um vielleicht vor Ort schon eine Lösung für den Konfliktfall wenigstens anzustoßen.

Rituale, die wir aus der Sandkiste kennen

Rückblickend kann ich sagen, dass sich derlei Bemühungen nie ausgezahlt haben. Sehr oft war ich schon sehr froh darüber, vor Ort auftretende Turbulenzen so weit dämpfen zu können, dass wenigstens die eigene Arbeit erledigt werden konnte. Ich habe in der Folge akzeptieren müssen, dass bei derlei Anlässen oft Rituale und Spiele ablaufen, die an Revierkämpfe in Sandkästen von Kindergärten erinnern. Ein Richter hat mir einmal während eines lautstarken Verbalduells zweier Anwälte zugeflüstert „Lassen wir ihnen das, es ist ihr Geschäft!“ Das ist fallweise halt auch bei Ortsterminen ihr Geschäft.

Prioritäten des Sachverständigen

Nun, wenn das Hackelziehen bei örtlichen Befundaufnahmen gar zu arg wurde, hat immer noch die mehr oder weniger deutliche Drohung gewirkt, dass der Sachverständige abbrechen wird müssen, wenn nicht unverzüglich Ruhe einkehrt. Aber worauf ich hinauswill: Dem Sachverständigen muss oberste Priorität sein, dass er seine Arbeit sauber und gewissenhaft erledigen kann. Er hat sich in erster Linie mit dem Sachverhalt zu beschäftigen, alles andere ist zweitrangig. Sein Aufgabenbereich ist schließlich im gesetzlichen Rahmen vorgegeben: Er ist Helfer des Richters und Beweismittel, nicht mehr und nicht weniger. Damit letztere möglichst rasch zum Ende kommen kann, und zwar „Im Namen der Republik …“

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