Ausbildung ist der systematische Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten zum Zweck, damit Nützliches in der Gesellschaft zu bewirken. Und natürlich, um damit in Folge ein ausreichendes Einkommen zum Lebensunterhalt zu erzeugen. Dass fast jeder Beruf eine entsprechende Vorbereitungs- und Entwicklungsphase voraussetzt, ist klar. Und dann? Jeder lernt im Beruf gewollt oder unabsichtlich dazu, das ist auch klar. Aber was bewegt Menschen, die ohnehin schon einen großen Teil ihrer besten Lebenszeit in der Arbeit verbringen dazu, aus eigenen Stücken und gezielt aus beruflichen Gründen weiter zu lernen?
Über diese Frage kann ich nur aus der Sicht eines Freiberuflers etwas beitragen. Für den ist die Zeitfrage besonders wichtig insofern, als dass er für gezieltes Lernen etwas von seiner direkt produktiven Tätigkeit abzwacken muss. Für etwas, das sich – wenn alles klappt – erst in weiterer Zukunft lohnen wird. Daher muss ein Freiberufler besonders gut abwiegen zwischen Aufwand und Nutzen solcher Aktivität. Dazu kommt noch die Vielfalt der möglichen Lernfelder: Es wachsen nicht nur die fachlichen Anforderungen, sondern genauso die an Organisation, Projektabwicklung oder an die Persönlichkeit, um nur einige zu nennen.
Ein wesentlicher Unterschied
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das beabsichtigte Ziel des Lernens: Will ich mich in meinem ureigensten fachlichen Gebiet weiterentwickeln oder will ich mir ein neues Tätigkeitsgebiet schaffen? Im ersten Fall spricht man von Fortbildung, im zweiten von Weiterbildung. Das Aufzeigen dieses grundsätzlichen Unterschieds ist nicht Ergebnis einer begrifflichen Haarspalterei. Dahinter steht auch nicht das Drängen auf eine Entscheidung zwischen einem von beiden. Denn Fortbildung ist eine Aufgabe, der sich jeder Freiberufler – ja jeder Berufstätige – auf regelmäßiger Basis unterziehen muss, Ziviltechniker sind dazu sogar gesetzlich verpflichtet.
Was Fortbildung ist …
Für mich bedeutet Fortbildung ganz einfach, mich in meinen fachlichen Kerngebieten Heizung, Lüftung, Klima, Erneuerbare Energie und Energieeffizienz auf dem Laufenden zu halten, den Stand der Regeln der Technik mitzuverfolgen und möglichst auch eine aktuelle Sicht über den Stand der Technik zu erhalten. Dazu gehört nicht nur die Mitverfolgung des stark wachsenden Normenwesens, sondern auch die Beobachtung des Marktes und der allerneuesten technischen Entwicklungstrends. Genauso aber ist ein wachsames Auge auf ökonomische und ökologische Randbedingungen erforderlich.
… an einem Beispiel
Als einfaches Beispiel für Fortbildungsbedarf möge die Entwicklung auf dem Wärmepumpensektor für die Beheizung von Wohngebäuden dienen. War bis vor einigen Jahren ein Seminar für Erdwärmenutzung das Nonplusultra einer aktuellen Wissensquelle, hat sich der Blickpunkt stark verändert: Derzeit etwa wächst der Anteil der Außenluft-Wärmepumpen sehr stark, was erfolgreichen Bemühungen um Effizienzsteigerungen zu danken ist. Die starke Verbreitung dieser Geräte hat dazu geführt, dass deren Schallemissionen in Bauverfahren eine verstärkte Rolle spielen können. Neue Aufgaben!
… und was Weiterbildung bedeuten kann …
Weiterbildung hat wie erwähnt eine andere Zielrichtung. Sie wird dann unumgänglich, wenn ein Freiberufler sein Arbeitsgebiet aufgrund geänderter äußerer Rahmenbedingungen ändern muss. Das kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn sich für eine gleichartige Leistung zu viele Anbieter am Markt tummeln und die Preise wegbrechen. Weiterbildung kann aber aktiv und gezielt in eine bestimmte Richtung betrieben werden, um das eigene Leistungsportfolio zu ergänzen oder zu erweitern. Damit kann für den potenziellen Kunden ein Mehrwert geschaffen werden und zugleich ein Wettbewerbsvorteil gegenüber möglichen Mitbewerbern.
… ebenfalls an einem praktischen Beispiel
In meinem Fall war die Zusatzausbildung zur Sicherheitsfachkraft eine solche Weiterbildung, die sich auf die Kerntätigkeiten vielfach sehr positiv ausgewirkt hat. So etwa konnten Aspekte der Arbeitssicherheit in Planungen und Bauaufsicht eingebracht werden, die Gesprächsbasis mit Arbeitsinspektoren war plötzlich kooperativ anstatt wie zuvor tendenziell konfrontativ, die Beratung von Klienten in Projekteinreichungen wurde deutlich wertvoller, die eigene Aufmerksamkeit gegenüber Problemen der Arbeitssicherheit in allen möglichen Lebenssituationen wurde erweitert etc., etc.
Fazit
Wie wir sehen, braucht ein Freiberufler, der seinen Beruf ernsthaft und mit Qualitätsbewusstsein betreibt, wohl beides: Fortbildung permanent, Weiterbildung von Zeit zu Zeit. Die Bereitschaft, freiwillig und gezielt zu lernen, dient nicht nur dem Kunden und Klienten, sondern befriedigt auch das zutiefst menschliche Streben, besser zu werden, Herausforderungen anzunehmen und dem eigenen Leben Sinn zu geben. Außerdem dürfen wir die alte Binsenweisheit nie außer Acht lassen, dass derjenige, der auf seinem Stand bleibt, zurückfällt. Oder den Unternehmerspruch: Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit …