Unsere österreichische Gesellschaft ist nicht unbedingt eine, in der Selbstständigkeit und Unternehmertum als erstrebenswerte Ideale gelten. Auch Risikofreue zählt nicht zu den hervorstechenden nationalen Eigenschaften. Dennoch gibt es junge und nicht mehr ganz junge Menschen, die den Weg in die volle Eigenverantwortung wählen. Einer der Gründe dafür liegt in den ständig steigenden substanziellen und zeitlichen Anforderungen, die viele größeren Unternehmen an gut ausgebildete Mitarbeiter – meist Führungskräfte – stellen. Als eine Alternative bietet sich der Weg in die Selbstständigkeit an.
Spätestens dann, wenn die berufliche Überlastung so weit führt, dass der Betroffene seine Existenz nur mehr so empfindet wie sprichwörtliche Zitrone in der Saftpresse, stellt sich die Frage nach dem Sinn. Wer sich zum fünfzehnten Mal vergeblich bemüht hat, Vorgaben umzusetzen, von deren Wert für sich und für das Unternehmen er nicht überzeugt ist, steigt innerlich aus. Zugleich verstärkt er die Suche nach Möglichkeiten, dem zu entkommen. Alternativen schlummern zumindest in Ansätzen ohnehin schon geraume Zeit irgendwo im gedanklichen Hinterstübchen. Jetzt werden sie hervorgeholt und auf ihre Tauglichkeit abgeklopft.
Selbstständigkeit als Alternative
Eine dieser Alternativen ist der Weg in die Selbstständigkeit. Einige Erfahrung damit habe ich aus der Begleitung einiger Kollegen gewonnen, die den Weg in die Tätigkeit als Ziviltechniker gegangen sind. Dieser aus meiner Sicht sehr erstrebenswerte Weg war in meinen jüngeren Jahren noch wesentlich einfacher und leichter, weil ein Zivilingenieur nebenher einen schon seit einigen Jahren ausgeführten Beruf als Geschäftsführer eines Unternehmens weiterführen konnte. Der Einstieg oder Umstieg vom Unternehmersein in das Ziviltechnikersein verlief daher gleitend und ohne größere Probleme.
Alles oder nichts – kein gleitender Übergang
Heute ist das anders. Mit dem EU-Beitritt 1994 waren eine nebenherlaufende gleichartige unselbstständige Berufstätigkeit und damit ein gleitender Übergang mit wenigen Ausnahmen – etwa für Lehrende an Höheren Technischen Lehranstalten oder Universitäten – nicht mehr möglich. Damals wurde auch die strikte Trennung von einerseits Planung, Beratung und Gutachtertätigkeit und andererseits Ausführung vollzogen. Wer heute Ziviltechniker werden möchte, muss seine Berufslaufbahn in der Industrie oder Gewerbe aufgeben, zumindest dann, wenn er im selben fachlichen Arbeitsgebiet bleibt, was stets der Fall ist.
Überlegungen und Planung
Über die praktischen Schritte und Überlegungen in die Selbstständigkeit – insbesondere als Ingenieurdienstleister – habe ich schon in vorgehenden Blogbeiträgen geschrieben (Siehe etwa hier, hier oder hier). Für noch Suchende oder Unentschlossene lohnt es sich, diese und andere Beiträge nachzulesen (siehe auch Suchergebnisse zu “Selbstständigkeit” in diesem Blog). Wichtig ist, dass der Schritt in die Selbstständigkeit genau überlegt und geplant werden muss. Das ist unter der Last der nebenherlaufenden Berufsbelastung nicht leicht. Aber wie ein alter Tischlermeister einmal seinem etwas verzagten Sohn gesagt haben soll: Wenn‘s leicht wär‘, tät ‘s jeder.
Selbstvertrauen
Ein wichtiger, je wohl der wichtigste Aspekt für einen erfolgreichen Einstieg in die Selbstständigkeit ist mir immer mehr bewusst geworden, und den möchte ich meinen bisherigen Aussagen hinzufügen: Es braucht echtes Selbstvertrauen, profunde Selbstsicherheit, dass der Schritt gelingt. Mehr noch, es braucht tief gehende innere Überzeugung, es zu schaffen. Das klingt im ersten Moment vielleicht als zu große Hürde. Das Schöne und Positive dabei: Wer den entscheidenden Schritt tut, setzt nicht nur erstaunliche Energien frei, sondern wird die interessante Erfahrung machen, dass sich durch die inneren Veränderungen auch die äußeren Lebensumstände zu seinen Gunsten ändern.
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