Sonnek

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Das Durchforsten von Fachliteratur auf neue Erkenntnisse zur Sachverständigentätigkeit mag für viele Kollegen unnötig mühsam oder gar sinnlos erscheinen. Viel lieber stürzen sie sich in die Praxis und betreiben Lernen durch Tun. Dagegen ist nichts einzuwenden. Manche andere wiederum gehen so wie ich gerne etwas tiefer und zapfen alle verfügbaren Wissensquellen an. Damit lässt sich das eigene Bild von Begriffen oder Sachverhalten den Darstellungen von Autoren gegenüberstellen, die ebenfalls Erfahrung als Sachverständige haben. Aus dem Vergleich kann man lernen und neue Erkenntnisse gewinnen.

Der Sinn hinter all der Beschäftigung mit einer breiten Palette von Fachliteratur liegt aber nicht in der unnötigen Anhäufung von Wissen. Die Auseinandersetzung mit anderen Sichtweisen führt vielmehr zu Korrektur und Vertiefung, damit letztlich zu einer Anreicherung der eigenen Vorstellungswelt. Die gewonnenen Einsichten bringen Leben, Farben und Schattierungen in die Spielwiese des Denkens. Die gewinnt nicht nur an Ausdehnung, sondern kann sich in neue Dimensionen erweitern. Dies alles auf der Grundlage eines in mehreren Jahrzehnten erworbenen Erfahrungsschatzes.

Was ist der Anstoß für all diese – fast philosophischen – Überlegungen? Die Antwort ist simpel: Erstens einmal eine wissenschaftliche Neugier an allem, was im weiteren Sinn mit Expertentum zu tun hat. Und zweitens die Freude daran, erworbene Einsichten an Kollegen – insbesondere an jüngere – weiterzugeben. Das mit dem Ziel, ihnen jene Hilfe und Unterstützung zu geben, die ich selbst als Neuling gerne von älteren und erfahrenen – um korrekt zu sein: weiseren – Kollegen entgegengenommen habe, die mich damit vor mancher Unbill bewahrt haben.

Der Unterschied zwischen Wissen und Weisheit liegt ja bekanntlich darin, dass man mit Wissen aus jenen unangenehmen Situationen herauskommen kann, in die man mit Weisheit gar nie gekommen wäre … Aber Schluss jetzt mit diesen Überlegungen. Wir wollen uns heute mit den persönlichen Voraussetzungen beschäftigen, die ein Sachverständiger für deine Tätigkeit mitbringen muss. Dazu seien drei Zitate wiedergegeben aus dem Buch „Der Sachverständige des Handwerks“ von Reinhold Haas, erschienen im Verlag Gentner im Jahre 1997. Reinhold Haas war selbst viele Jahre Sachverständiger und Geschäftsführer einer Handwerkskammer. Die Zitate sind in kursiv, Seitenverweise in Klammern:

Zu den persönlichen Voraussetzungen für die Tätigkeit als Sachverständiger sagt er (S. 25f):

Ungeachtet der Bestellungsvoraussetzungen wird allgemein von einem guten Sachverständigen folgendes zu fordern sein:

-      die Bereitschaft, sich in bestehende, durch Dritte geschaffene Situationen hineinzudenken und sich mit den vorhandenen Gegebenheiten in logischer Reihenfolge kritisch auseinanderzusetzen;

-      die Fähigkeit, das theoretische Fachwissen in einem konkreten Fall praktisch anzuwenden und auszuwerten, zum Beispiel bei der zeitlichen Einordnung und beim gedanklichen Nachvollziehen eines Geschehensablaufes;

-      die Gabe, in richtiger Reihenfolge Feststellungen, gutachtliche Wertungen und Schlussfolgerungen schriftlich in einer Sprache zu formulieren, die von allen Beteiligten verstanden wird. Wer sich beim Durchlesen eines Gutachtens immer wieder fragen muss, was der Sachverständige wohl gemeint hat und zum Ausdruck bringen wollte, wird gerade diese Gabe zu schätzen wissen;

-      die stabile Gesundheit, ohne die die körperliche und seelische Belastung nicht durchzuhalten ist, die mit der Vorbereitung eines Gutachtens, dessen Ausarbeitung und dem Auftreten vor den Parteien und vor Gericht verbunden ist;

-      die Freiheit von starken Bindungen in der beruflichen Sphäre und von wirtschaftlichen Abhängigkeiten;

-      die Ausstattung mit der für einen Sachverständigen notwendigen Ausrüstung, zum Beispiel mit Mess- und Prüfgeräten, Werkzeug, Fotoapparat, etc., ohne deren Einsatz sich je nach Lage des Falls keine fundierten Feststellungen und Schlussfolgerungen treffen lassen, und

-      der Zugang zu einschlägigen Fachbüchern, Fachzeitschriften und technischen Regelwerken, die eine sichere Unterrichtung über die theoretischen Grundlagen und den neuen Stand auf dem Sachgebiet zulassen, für das der Sachverständige bestellt und vereidigt ist.

Des Weiteren verweist er betreffend die persönliche Eignung auf die Sicht eines deutschen Gerichts (S. 39):

Das OVG Münster hat einmal die persönliche Eignung zum Sachverständigen zutreffend wie folgt charakterisiert:

„Von ihm sind Zurückhaltung und Besonnenheit zu erwarten, selbst wenn er wegen des Ergebnisses seines Gutachtens unsachlich angegriffen wird. Bei sachlicher Kritik und Nachfragen, muss der Sachverständige hierauf sachlich eingehen können. Selbsterkenntnis und Kritik gegenüber der eigenen Person, sowie Einsicht in die Grenzen der eigenen Sachkunde sind ebenso erforderlich wie Skepsis gegenüber den eigenen Ergebnissen. Unvereinbar mit der Stellung des Sachverständigen sind: Überheblichkeit, Besserwisserei und stures Festhalten an den eigenen Auffassungen.“

Der Polemiker, Rechthaber und Streitsüchtige ist ebenso wenig zum öffentlich bestellten Sachverständigen geeignet wie der Eigenbrötler oder der sich in Einzelheiten verlierende Tüftler.

Schließlich meint er zum notwendigen Umfang an Sachkunde (S. 41):

Verlangt wird daher grundsätzlich eine überdurchschnittliche Sachkunde. Nur dann ist ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger in der Lage, die Leistungen von Berufskollegen objektiv und sachgerecht zu begutachten und die Betroffenen von dem Ergebnis seiner Begutachtung auch zu überzeugen.

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