Unsere Betrachtung von Definitionen und Aussagen aus den Bereichen Technik und Recht für Sachverständige wollen wir heute fortsetzen. Dabei handelt es sich um Aussagen, die sich in der Fachliteratur für Sachverständigenwesen finden. Meiner Erfahrung nach sind die meisten Kollegen Praktiker, die eher wenig Zeit oder Interesse haben, sich mit „bloßem Bücherwissen“ auseinanderzusetzen. Ihnen soll auf diese Weise die Gelegenheit geboten werden, gewissermaßen im Vorbeigehen den einen oder anderen Leckerbissen der Formulierungskunst aufzuschnappen. In jeder Folge nehmen wir uns ein bestimmtes Werk vor.
Heute ist es das Buch „Der Sachverständige in der Praxis“, herausgegeben von Carl R. Wellmann, 7. Auflage 2004, erschienen im Werner Verlag Köln. Auch wenn das Erscheinungsdatum des Werkes schon länger zurückliegt und die rechtlichen Inhalte überwiegend für Deutschland Geltung haben, finden sich darin Aussagen, die zeitlos gültig und für Sachverständige von allgemeinem Interesse sind. Die wiedergegebenen und kursiv hervorgehoben Zitate erscheinen bemerkenswert. Dass darunter im Hinblick auf vorangegangene Beiträge durchaus Wiederholungen enthalten sind, wurde bewusst in Kauf genommen.
Zum Begriff Sachverständiger (S. 2):
Im allgemeinen Sprachgebrauch beschränkt man den Begriff Sachverständiger auf Personen, die ihre Dienste als Gutachter oder Berater zur Verfügung stellen und ihre Bereitwilligkeit erkennen lassen, in dieser Eigenschaft tätig zu werden.
Zur Tätigkeit des Sachverständigen (S. 2f):
Positiv lässt sich die Aufgabe des Sachverständigen aus der typischen Interessenlage des Auftraggebers ableiten. Die Dienste eines Sachverständigen werden in Anspruch genommen, weil der Auftraggeber eine Entscheidung treffen will, die von technischen Voraussetzungen abhängt, zu deren Beurteilung sein eigenes Fachwissen nicht ausreicht. (…)
Die Aufgabe des Sachverständigen besteht somit darin, dem Unkundigen eine eigene Urteilsbildung zu ermöglichen; er schafft die Voraussetzungen für die Entscheidung seines Auftraggebers – einer Privatperson, eines Gerichtes oder einer Behörde – oder auch eines Dritten, indem er vermittels seiner besonderen Fachkunde und auf Grund einer ihm zuerkannte Unabhängigkeit des Urteils einen bestimmten Sachverhalt feststellt oder aus einem gegebenen Sachverhalt bestimmte Folgerungen ableitet.
Zum Auftragsinhalt (S. 13):
Im Gutachterauftrag (im gerichtlichen Verfahren dem Beweisbeschluss) sind die Tatsachen angegeben, von denen das Gutachten auszugehen hat und die Fragen formuliert, die der Sachverständige beantworten soll. Durch den Auftrag wird seine Aufgabe zugleich bestimmt und beschränkt.
Der Auftraggeber bestimmt grundsätzlich den Inhalt der vom Sachverständigen zu erbringenden Leistung. Er formuliert den Auftrag. Der Sachverständige wird jedoch nicht selten feststellen, dass ein ihm zugegangener Auftrag unvollständig, unzweckmäßig oder nicht hinreichend bestimmt abgefasst ist. Dieser Mangel beruht meist darauf, dass der Auftraggeber mangels eigener Fachkenntnis den den zu beurteilenden Sachverhalt nicht erfasst, den eigentlichen Kern des Problems verkennt oder nict über die für eine inhaltlich korrekte und sachgemäße Fassung des Auftrags notwendige Erfahrung verfügt. In solchen Fällen gehört es zu den Pflichten des Sachverständigen, den Auftraggeber zu beraten und auf eine Klarstellung oder auch Einschränkung des Auftrags hinzuwirken.
Drei Merkmale der Tätigkeiten bei der Gutachtenserstellung (S. 18):
Untersucht man die Tätigkeit des Sachverständigen bei der Erstellung von Gutachten auf ihre typischen Merkmale, so bietet sich eine Dreiteilung an: Man kann zwischen der Feststellung von Tatsachen, der Bewertung von Sachen oder Leistungen und der Ursachenermittlung unterscheiden. Im einzelnen Gutachterfall kann der Auftrag den Sachverständigen auf eine dieser Kategorien beschränken; häufig fallen aber auch alle Kategorien in einem Auftrag zusammen.
Zur Schlüssigkeit eines Gutachtens (S. 33f):
Die Schlussfolgerungen, zu denen der Sachverständige im weiteren Verlauf des Gutachtens gelangt, sind in den einzelnen Schritten lückenlos und widerspruchsfrei zu entwickeln. Dabei dürfen keine Fragen offen bleiben, die sich dem kundigen Fachmann stellen und die je nach ihrer Beantwortung das Ergebnis beeinflussen könnten (…). Naheliegende Gegenargumente, mit denen bei kritischer Durchsicht des Gutachtens zu rechnen ist, sollte der Gutachter vorausschauend aufgreifen und sich mit ihnen auseinandersetzen; das Gutachten gewinnt dadurch an Überzeugungskraft. (…)
Jedes Gutachten endet mit einer Schlussfolgerung, die das Ergebnis vorausgegangener Untersuchung ist und die Antwort auf die Beweisfrage enthält.
Zum Beweis durch Augenschein (S. 42):
Augenschein ist unmittelbare Sinneswahrnehmung des Gerichts, um sich von der Existenz von etwas zu überzeugen. Das Wort „Augen“schein darf dabei nicht irreleiten. Es ist belanglos, ob die Beweisaufnahme durch optische Eindrücke oder durch andere Sinne (Geruch, Gefühl, Geschmack, Gehör) vermittelt wird. Korrekter wäre es deshalb, von einem „Wahrnehmungsbeweis“ zu sprechen.
Zum Zeugenbeweis (S. 43):
Der Beweis durch Zeugenaussagen ist der in der Praxis häufigste Beweis, allerdings auch der unzuverlässigste. Der Laie ahnt nicht, welchen Fehlerquellen Wahrnehmung, Erinnerung und Wiedergabe eines Geschehens ausgesetzt sind. Es gibt – das ist experimentell nachgewiesen – keine zuverlässige Zeugenaussage.
Zum Urkundenbeweis (S. 44):
Was einer geschrieben oder unterschrieben hat, räumt er so leicht nicht wieder aus. Deshalb ist der Urkundenbeweis neben dem Beweis durch Einnahme eines Augenscheins der sicherste, den wir haben.
Definitionen zu Zeugen und Sachverständigen (S. 48):
Zeuge ist jemand, der über eigene tatsächliche Wahrnehmungen berichtet. Sachverständiger Zeuge ist er, wenn er diese Wahrnehmungen kraft besonderer Sachkunde gemacht hat. Sachverständiger und Zeuge ist er, wenn er aus seinen sachkundigen Wahrnehmungen auch fachmännische Schlüsse zieht und diese bei seiner Vernehmung darlegt. Nur Sachverständiger ist er, wenn er lediglich kraft seiner Sachkunde vernommen wird.
Zum Inhalt des Gutachtens (S. 76):
In der Diktion ist das Gutachten neutral zu halten. Alle Schärfen sind zu vermeiden. Selbst wenn der Sachverständige berechtigterweise über das Verhalten einer Partei vor oder im Verfahren empört ist, sollte er das im Gutachten nicht durchblicken lassen. Er soll keine Werturteile in seine Stellungnahme miteinfließen lassen, sofern diese Werturteile nicht sachbedingt und insoweit gutachtliche Äußerungen sind.
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