Ausgehend von einer Fragestellung des Auftraggebers werden im Rahmen eines Befunds Fakten zusammengetragen. Auf deren Grundlage sollen die Fragen dann später im Gutachten beantwortet werden können. Sehr oft, insbesondere bei komplexen Aufgaben, ist die Beantwortung direkt aus der alleinigen Kenntnis der Fakten heraus aber nicht möglich. Vielmehr ist dazu ein Zwischenschritt erforderlich: Zuerst ist Ordnung in das erhobene Material zu bringen und eine Vorsortierung zu treffen. Nicht Relevantes kann ausgeschieden, das tatsächlich Aussagekräftige daraufhin einem näheren Blick unterzogen werden.
Der Zwischenschritt beginnt am besten mit einem genauen Blick auf die Aufgabenstellung des Gutachtens. Letztere sollte immer als Wegweiser dienen, damit der Auftrag nicht verfehlt wird. Es kann durchaus in der Befunderstellung zu spannenden und interessanten Augenblicken gekommen sein, die die Gedanken eines Sachverständigen fesseln und intensiv beschäftigen können. Insbesondere fachliche „Offenbarungen“, die noch dazu begeisternd sind und die es verdienen würden, aller Welt mitgeteilt zu werden, verführen dazu, den Blick auf das anzupeilende Gutachtensziel zu verstellen.
Nüchternheit einkehren lassen!
Kein honoriger Sachverständiger sollte es aber riskieren, sich von diesen seinen Impulsen leiten und Ausführungen in sein Gutachten einfließen zu lassen, die mit dem Auftrag nichts zu tun haben. In einem Gutachten ist auch kein Raum für langatmige wissenschaftliche Erörterungen. Auch wäre kein Auftraggeber bereit, Antworten auf Fragen zu honorieren, die er nie gestellt hat, egal ob von Gericht oder von Privat. Es gilt also, Nüchternheit einkehren zu lassen, innerlich zurückzutreten und etwas Distanz zur Materie zu gewinnen. Wie gesagt: Das Gutachtensziel darf nie aus dem Blick verloren gehen!
Analysephase
Zurück zum gewonnenen Material, das nun vor uns liegt. Eine Portion Nüchternheit führt auch zu besonnenem Umgang mit den vorliegenden Ergebnissen und den ersten Erkenntnissen. Häufig wird der Fall auftreten, dass die Erkenntnisse unzureichend sind und zusätzliche Informationen eingeholt werden müssen. In anderen Fällen werden die Erkenntnisse für eine zuverlässige Fragebeantwortung nicht ausreichen. Oder es liegen Widersprüchlichkeiten vor, die nicht aufzulösen sind. Auch wird sich der Sachverständige vielleicht bereits Gedanken machen, welche Strategien er für den Fall einer Gutachtenserörterung wählt.
Kritische Prüfung
Zumindest unmittelbar tun sich wichtige Fragen auf, wie beispielsweise:
- Liegen alle zur Beantwortung der Fragen im Gutachtensauftrag notwendigen Erkenntnisse vor?
- Welche Erkenntnisse sind aussagekräftig und damit brauchbar?
- Welche Informationen sind ausreichend sicher, welche nicht?
- Welche Unsicherheitsstufen sind anzunehmen?
- Was lässt sich aus den Ergebnissen des Befunds nach eingehender Analyse schließen?
- Was ist anders, als bisher gemäß Aktinhalt angenommen?
- Welche Berechnungen, Messungen oder weiteren Untersuchungen wären nötig?
- Welche Beurteilungsgrundlagen (Gesetze, Verordnungen, Normen etc.) sind nun tatsächlich relevant, welche nicht?
Auftragsgerechte Aufbereitung
Der Schritt zwischen Befund und Gutachten endet mit einer Aufbereitung der Erkenntnisse und ihrer Zuordnung zu den Fragen aus dem Auftrag. Mit dieser Zusammenführung sind die Weichen für die Beantwortung der Fragen im Gutachtensteil gestellt. Damit ist auch ein wichtiges Glied zur Schlüssigkeit oder Nachvollziehbarkeit des fertiggestellten Gutachtens gesetzt. Das allerwichtigste aus diesem Zwischenschritt mit Analyse und Aufbereitung ist aber der Nutzen für den Sachverständigen selbst: Durch diese strukturierte Vorgangsweise gewinnt er ein zusätzliches und nicht unwichtiges Maß an Sicherheit!