„Die Stunde der Ingenieure? Jetzt in der Corona-Krise? Das ist doch wohl die Stunde der Mediziner, oder?“ … „Völlig richtig – aber es ist nicht allein die Stunde der Mediziner! Auch die Ingenieure haben ihren Anteil an der Lösung medizinischer Probleme. Denken Sie nur an die Beatmungsgeräte, Apparate und Maschinen, die jetzt gebraucht werden. All die technischen Einrichtungen von Spitälern sind von Ingenieuren erdacht, konstruiert und unter ihren strengen Augen produziert und getestet worden. Und hinter den Anlagen für zuverlässige Logistik und pünktliche Versorgung mit lebenswichtigen Gütern stehen ebenfalls Angehörige der Ingenieurszunft.“
So etwa könnte ein Gespräch am Rande der täglichen Ereignisse verlaufen, die von einem unsichtbaren, bösartigen Virus dominiert sind. Und von Politikern und Pressekonferenzen, von Experteninterviews und Lageberichten, von Hiobsbotschaften und vermuteten Hoffnungsschimmern. Im Grunde weiß niemand, was uns noch alles erwartet. Dazu kommt noch die unfreiwillige Untätigkeit oder die Umstellung auf noch gewöhnungsbedürftige Arbeitsweisen. Die allgegenwärtige Ungewissheit scheint für viele bedrückend, die wirtschaftlichen Aussichten und vielfach auch die berufliche Zukunft sind ungewiss. Warum also reden wir von Ingenieuren gerade jetzt?
Nüchternheit
Einfach deshalb, weil ihre Rolle oft untergeht. Ingenieure drängen sich nicht in den Vordergrund. Sie sind meist nicht wahrnehmbar, bewegen sie sich doch im Feld zwischen Wissenschaft und Produktion. Ihre Einstellung ist von Nüchternheit geprägt, die dem Wissen um eigene Grenzen und die der Natur entspringt. Ein Ingenieur tut seine Arbeit, die sehr oft volle Konzentration erfordert und erst an den Grenzen des der Natur Möglichen haltmacht. Manche nicht rechtzeitig erkannte Fehler können gefährlich sein und ihre Behebung kann teuer werden. Das Ergebnis aller Anstrengungen ist dann richtig, wenn etwas funktioniert. Für langwierige Interpretationen ist kein Platz.
Zielvorgabe
Die Nüchternheit hat auch zur Folge, dass sie der Sache dienend emotionalen Regungen gegenüber eher zurückhaltend sind. Im gesellschaftlichen oder medialen Rampenlicht zu stehen ist daher ihre Sache nicht. Jeglicher Aktivismus ist ihnen fremd. Sie haben Aufgaben zu lösen, sie können in dieser regelrecht eintauchen, ja versinken, bleiben dran, bis eine Lösung gefunden ist. Die Aufgaben müssen aber ein reales, greifbares und erreichbares Ziel haben. Sie sind sich der Tatsache bewusst, dass es letztlich in ihrer Hand liegt, wissenschaftliche Erkenntnisse so umzusetzen, dass sie für die Auftraggeber, die Kunden und letztliche für die Allgemeinheit nutzbar werden.
Zurückhaltung
Im Fall Corona-Virus ist die Aufgabenstellung klar: So rasch wie möglich alles bereitzustellen, was das Überleben von Gefährdeten sichern kann. Weniger klar ist es in einem anderen Feld: Der Klimadebatte. Hier hat man es neben berechtigten Anliegen – etwa dem weitestmöglichen Umstieg auf erneuerbare Energien – mit einer Fülle von Forderungen zu tun, mit Aktivismus, Lobbys, NGOs und anderen Pressure-Groups, die ihre Agenda durchsetzen wollen. In diesem unübersichtlichen Durcheinander von Behauptungen und Fakten, Meinungen und Gewissheiten, ja Panikmache und Wissenschaft, wird es letztlich auf technische Lösungen ankommen.
Abwägung
Es gilt abzuwägen, was machbar ist – nicht nur technisch – und was sinnvoll. Was nicht nach Förderungen giert und etwas, das nicht kurzlebigen Trends nachläuft. Was wirklich und nachweisbar Nutzen bringt – ökologisch, ökonomisch und sozial – und von Dauer ist. Was gewollt und zumindest zumutbar ist. Was nicht unnötig Landschaftsbilder stört oder zerstört. Etwas, worüber weitestgehend gesellschaftlicher Konsens besteht. Was nüchtern abgewogen wird und nicht emotional aufgeladen ist. Was für alle durchschaubar und offen verfolgt und durchgeführt wird. Was für uns und unsere Nachkommen das Richtige ist. Dann schlägt wieder die Stunde der Ingenieure.