Sonnek

Schlossportal

„Ich habe das Gefühl, dass wir hineingelegt worden sind. Konkret: Ich fürchte, wir haben für die Haustechnik-Installationen viel zu viel bezahlt, jedenfalls mehr, als gerechtfertigt gewesen wäre.“ Der oberste Boss der Hotelgruppe nahm unvermittelt den Blick von der spätbarocken Stuckdecke, kippte seinen Ledersessel nach vorn und setzte seine Ellbogen auf den Schreibtisch. „Können Sie das überprüfen? Wie schnell geht das? Wir haben Fristen … Sie bekommen jede denkbare Unterstützung.“ „Gegenfrage: Wie weit ist die Baustelle schon gediehen?“ „Baustelle? Das Haus ist in Vollbetrieb.“

Der Sitz der Hotelgesellschaft befand sich – dem Unternehmensgegenstand angemessen – in einem malerischen Schlösschen, die größeren ehemaligen Gesellschaftsräume dienten der Präsentation beeindruckender Modelle laufender und beabsichtigter Projekte, gedacht vermutlich als Appetitanreger für potente Investoren. Alle gezeigten Objekte hatten gemeinsam, dass man das Hotel stets durch ein Schlossportal betreten musste, um nach stilgerechtem Empfang weitläufige Fluchten durchschreitend zu seinem Gemach im Kerngebäude oder – im Normalfall – zu seinem Zimmer in einem unauffällig angefügten Anbau zu gelangen.

Gemäuer De Luxe

Das gegenständliche zu untersuchende Schlosshotel erwies sich als veritable Burganlage, dem neuen Zweck entsprechend ergänzt um zeitgemäße Wellness-Folterkammern, ein exquisites Hallenbad im früheren Burgverlies und ein historisierend möbliertes Gourmet-Restaurant auf der Festungsmauer mit Panoramablick ins Umland. Der im historischen Gemäuer vornehm zurückhaltend ablaufende Betrieb erwies sich bei den notwendigen Erhebungsarbeiten zwar nicht direkt als hinderlich, jedoch verlangte allein schon der Respekt vor dem Geist des Hauses den bewussten Verzicht auf jegliche äußerliche Hektik.

Motto: Doku? – Wozu?

Unverständlicherweise – vermutlich aber aus Kostengründen – war auf eine fachliche Baubegleitung der Haustechnik verzichtet worden. Das weitgehende Fehlen einer haustechnischen Dokumentation war einer Erhebung der erbrachten Leistungen nicht gerade förderlich. Noch dazu erweckten die wenigen verfügbaren Pläne weniger den Eindruck technischer Dokumentationen, sondern trugen eher den Charakter kryptischer Anleitungen zu einer Schatzsuche. Einziger brauchbarer Wegweiser war die Schlussrechnung des Installateurs, in der die Mengen fraglich, aber wenigstens die Art der verwendeten Bauteile erkenntlich war.

Mühen der Ermittlungstätigkeit

Also etliche Tage geduldiger Suche nach Anschlusspunkten von Leitungen, mit Rekonstruktionsversuchen nicht sichtbarer Trassenverläufe, Maßnehmen von Rohrdimensionen, Kanalquerschnitten, Durchzählen von Bauteilen, Korrektur falscher Angaben in den Unterlagen, Abschätzen von Dimensionssprüngen usw. Apropos Schatzsuche: Große Erleuchtung brachte eine überraschend aufgetauchte Bilddokumentation der Bauleitung, die eher zufällig einige haustechnischen Besonderheiten miterfasst hatte. In Bildern von noch unverschlossenen Schächten und Kanälen ließen sich einige wichtige Installationsdetails erkennen.

Unerwartete Unterstützung

Der Installateur zeigte sich zunächst an der Sache wenig interessiert, allmählich dürfte ihm aber bewusst geworden sein, dass aus den Nachforschungen Unannehmlichkeiten drohen konnten. Er gab seinen Widerstand gegen eine klärende Mitarbeit auf und stellte zwar nicht den verlangten partieführenden Obermonteur, doch immerhin den verantwortlichen Projektleiter für eine begrenzte Zeit als Auskunftsperson zur Verfügung. Mit ihm erhielt das bereits gewonnene Gesamtbild eine Art letzten Schliff. Die Ergebnisse der Arbeit wurden in Aufmaßlisten und übersichtlichen Vergleichs- und Korrekturtabellen zusammengestellt.

Das Ergebnis

Die Ergebnisse der Rechnungskorrektur bestätigten den Verdacht: Der Auftraggeber hatte um gut zehn Prozent zu viel gezahlt, beim gegebenen Auftragsumfang ein erkleckliches Sümmchen. Der Installateur stemmte sich allerdings gegen Rückforderungen, die Hotelgruppe musste später klagen und erhielt auch recht. Meine ihm präsentierte hohe Honorarnote entlockte dem obersten Boss einen tiefen Seufzer. Dann lehnte er sich zurück und meinte, zur spätbarocken Stuckdecke aufblickend: „Naja, das kostet’s halt.“ Und nach einer längeren Pause: „Wir haben übrigens vor kurzem ein ähnliches Hotel fertiggestellt. Ich fürchte …“

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