Vilfredo Federico Pareto muss ein staunenswertes Multitalent gewesen sein. Laut Wikipedia war er Ingenieur, Ökonom und Soziologe, er hat also eine ganze Menge von Technik, Wirtschaft und menschlichem Zusammenleben verstanden. Daher besitzt das nach ihm benannte Prinzip einiges Gewicht: Es besagt, dass 80 % der Ergebnisse mit 20 % des Gesamtaufwandes erreicht werden. Die verbleibenden 20 % der Ergebnisse erfordern mit 80 % des Gesamtaufwandes die quantitativ meiste Arbeit. Diese auch als 80-20-Regel bezeichnete Tatsache müssen sich besonders Sachverständige immer wieder vor Augen halten.
Der erwähnte Gesamtaufwand ist für den Sachverständigen fast immer mit Zeitaufwand gleichzusetzen. Und da Zeit Geld bedeutet und viel Zeit viel Geld, kann eine gutachterbezogene Betrachtung der Pareto-Zusammenhänge nur lohnend sein. Denn in anderen Worten verlangt das Pareto-Prinzip, wesentlichen Dingen den Vorrang zu geben, sich auf diese zu konzentrieren und den Rest einer Sache möglichst rasch zu kappen. Das sagt sich zweifellos leichter, als es ist, aber es ist eine gute Trainingsanleitung, in jedem neuen Vorhaben zuerst einmal Ausschau nach solchen zentralen Faktoren zu halten.
Überblicken statt Verzetteln
Das Gegenteil davon wäre lineares Vorgehen und durchackern aller Dinge, die einem da so entgegenkommen, und das ohne Setzung von Prioritäten. Eine solche Aktionslinie führt im schlimmsten Fall dazu, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht und von der Menge der Informationen auf unangenehme Weise verunsichert wird. Zusätzliche Gefahr besteht darin, dass mangels Überblicks falschen Fährten nachgegangen wird, unnötige Umwege gemacht werden und die wesentlichen Aspekte falsch oder gar nicht gewichtet werden mit dem Endergebnis, dass die Arbeit nicht nur langwierig und damit teuer, sondern überhaupt umsonst war.
Keine Paralyse durch Analyse
Dazu gesellt sich dann der schale Nachgeschmack der Unzufriedenheit mit der mühevollen Arbeit, das Bedauern um die verlorene und unnötige Plackerei und der Frust, dem Auftraggeber viel zu wenig von der benötigten Zeit tatsächlich verrechnen zu können. Typische Anfängerfehler, möchte man meinen, aber ich behaupte mal: Manche lernen ’s nie! Bei denen liegt die tiefere Ursache vielleicht an fachlicher Unsicherheit oder gar Überforderung, an mangelndem Selbstbewusstsein oder aber auch an der zu akribischen Herangehensweise mit allmählichen Lähmungserscheinungen, oder wie man so sagt „Paralyse durch Analyse.“
Die richtige Selbstkontrolle
Aber zum Glück und wenn man nicht gerade einer von der verbesserungsresistenten Sorte ist lässt sich der bessere Pareto-Weg erlernen, was gestandene und schon gelassene Sachverständige gerne bestätigen werden. Dabei handelt es sich weniger um eine ausgeklügelte Methode, sondern eher um eine persönliche Haltung der automatischen Selbstkontrolle, ein Sich-Einbremsen mit dem Ziel, das größere Ganze nicht aus den Augen zu verlieren und damit bei den wesentlichen Fragen und Problemen zu bleiben. Detailfragen werden bewusst ausgeklammert, was – zugegeben – besonders Technikern nicht immer leichtfällt.
Den Kern des Problems treffen
Diese oft eher intuitiv gesetzten Schwerpunkte werden jetzt konzentriert bearbeitet, aber nur soweit ins Detail gehend, wie unbedingt notwendig. Der Kern der ganzen Arbeit ist erledigt, jetzt erst ist die Zeit da, die restlichen und zuvor ausgesonderten Materialien nochmals durchzukämmen und sich zu fragen, ob Teile davon in die bereits feststehenden Ergebnisse einzuarbeiten sind, auch wiederum mit dem Ziel, diese zu verbessern oder zu verdeutlichen, nicht aber um einen neuen Aspekt hinzuzufügen. Am Endergebnis wird sich nichts mehr ändern, der Endbericht oder das Gutachten kann somit fertiggestellt werden.
Hilfe bei Richtungsentscheidungen
Ist das alles nicht einfach eine Verschleierung oder ein nettes Mäntelchen für schlampige Arbeit? Im Gegenteil. Den Auftraggeber interessiert vorrangig der Kern der Aussagen, nicht die zweitrangigen Details. Sollten einige davon zu einem späteren Zeitpunkt wichtig werden, können diese nachgereicht oder falls nicht bekannt, nachträglich erarbeitet werden. Damit kommt man dem Auftraggeber entgegen, denn in sehr vielen Problemstellungen genügt dem Auftraggeber eine ausreichend fundierte Richtungsweisung, Einzelheiten sind oft allein schon deshalb zweitrangig, weil sie sich mit der Richtungswahl ändern.