Sonnek

Ü

Im Verlauf eines größeren und durchaus komplexen Projekts ist ein gravierendes Problem aufgetreten. Es muss innerhalb einer gewissen Zeit gelöst werden, sonst ist das ganze Projekt gefährdet. Das scheint machbar, wenn, ja wenn alle an einem Strang ziehen und ohne Verzögerung voll bei der Sache sind. Eine Situation außerhalb jeglicher Routine. Der fachlich Zuständige ist schnell gefunden und der Projektleiter versucht, ihm die Dringlichkeit klar zu machen, die Tatsache, dass er nun den „Flaschenhals“, den Engpass der ganzen Angelegenheit darstellt. Allein, es scheint trotz des Alarmzustands nichts weiterzugehen …

Dabei ist dem Betroffenen der Ernst der Lage durchaus bewusst. Aber er kann nicht aus seiner Haut, bleibt stur in seiner Routine und ist nicht gewillt – und vielleicht mangels eines anderen Gesichtspunktes als seines eigenen auch gar nicht in der Lage – aus einem festgefahrenen Weg abzuweichen. Vielmehr verweist er leicht genervt darauf, dass er ja eh alles tut, um weiterzukommen, aber leider, leider habe man eine zentral wichtige Information noch nicht bekommen und daher sei man gezwungen, die Sache erst einmal als Zwischenschritt so stehen zu lassen. Man werde sich melden, wenn es weitergeht.

Konzentration auf den Flaschenhals

Inzwischen verrinnt kostbare Zeit, äußerlich ist alles still, denn noch ist ja auch kein Schaden entstanden. Heftige Unruhe hat aber den Projektmanager erfasst. Er ist in seiner Funktion gewöhnt, gedanklich zwei, drei Schritte voraus zu sein. In seiner Sicht brennt der Hut, er sieht ein gewaltiges Problem heraufziehen, keine Routinesache mehr. Außergewöhnliche Situationen brauchen außergewöhnliche Lösungen. Er beginnt nun selbst zu recherchieren und versucht auf eigene Faust, an jene Informationen heranzukommen, die dem zwar routinierten, aber etwas hilflosen Partner noch fehlen.

Parforce-Ritt und Feldzug

Es ist ein interessantes Phänomen, dass zentrale Informationen oft dort gar nicht oder nicht sofort zu bekommen sind, wo sie fachlich angelagert sind. Manchmal wird man eher im zugehörigen Umfeld fündig. Jedenfalls ist Beharrlichkeit angesagt, vielleicht bei mehreren Informationsquellen zugleich, wer schneller ist, liefert. Wobei man meist auf den guten Willen von Menschen angewiesen ist, mit denen man bisher nichts zu tun hatte. Ausdauer und Überredungskunst sind gefragt, denn es geht ja um etwas. Nach einem telefonischen Parforce-Ritt oder einem E-Mail-Feldzug trudeln Ergebnisse ein.

Fingerspitzengefühl gefragt …

Der nächste Schritt braucht Fingerspitzengefühl. Einerseits gilt es, den in ruhender Wartestellung befindlichen Partner umgehend und mit Nachdruck wieder produktiv zu machen, andererseits soll er sich auch nicht überfahren fühlen oder ausmanövriert. Jedenfalls muss er rasch mit den erhaltenen Informationen vertraut gemacht werden und soll selbst dafür sorgen, dass Dampf in die Bude kommt. Weil eben schon unangenehm viel Zeit vergangen ist, ersucht der Projektmanager um schnelle Vorab-Ergebnisse oder Schätzungen unter Verzicht auf Detailergebnisse und pedantische Genauigkeit.

… und ein heikler Balanceakt

Wenn der Projektmanager den heiklen Balanceakt zwischen schierer Überrumpelung und sanfter Motivation gekonnt gemeistert hat, beginnt „das Werkl wieder zu laufen“ und die Ergebnisse langen tatsächlich ein, der Stillstand ist abgewendet, es wurde nur wenig oder gar keine Zeit verloren. Das Schöne dabei: Alle haben etwas davon. Der Projektmanager wird auch dem wieder mobilisierten Partner reichlich Dank für seinen Einsatz aussprechen, auch wenn er diesen vielleicht gar nicht verdient hat. Aber Lob schadet nie. Der Projektmanager darf sich aber im Stillen über seine erfolgreiche Hut-Löschaktion freuen …

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