Sachverständiger kann man nur für ein genau abgegrenztes Wissensgebiet sein. Die Expertenrolle beinhaltet auch die Verpflichtung, in eben diesem Gebiet auf dem aktuellen Stand zu bleiben. Erfahrungsgemäß ist allein schon diese Vorgabe herausfordernd genug. Praktisch unmöglich ist es, in angrenzenden Wissensfeldern auf dem Laufenden zu sein. Weil es für einen Sachverständigen nicht nur ungeziemend, sondern gefährlich wäre, in einem ihm nicht völlig vertrauten Randgebiet als Dilettant dazustehen, ist er auf Mitarbeit und Beitrag von Fachkollegen angewiesen. Logische Frage: Wie wird kollegiales Zusammenwirken erfolgreich?
Auch im Umgang mit Kollegen gilt zuallererst dieselbe Voraussetzung wie für Laien, Rechtsanwälte etc. auch: Wir brauchen eine gemeinsame Sprache. Das beginnt zum Beispiel mit der Klärung von Fachbegriffen und deren Bedeutung, setzt fort mit der Art der Kommunikation – eher persönlich oder doch lieber schriftlich und endet mit der Vereinbarung, auf welche Art die gemeinsamen Ergebnisse präsentiert werden sollen. Zweitens wird man sich über den Umfang der Arbeiten verständigen müssen, dann über den zeitlichen Rahmen der Abwicklung und zu guter Letzt über die Kostenfrage. Das sind alles sachlich-fachliche Dinge.
Erwartungen und Vertrauen
Was genauso schwer wiegt, aber ungleich schwerer zu „managen“ ist, ist die Vielfalt der gegenseitigen Erwartungen. Selbst große gegenseitige Sympathie ist noch kein Garant dafür, dass die ganze Palette von Hoffnungen bis zu Befürchtungen automatisch synchron gehen. Wir sind unterschiedliche Persönlichkeiten! Was dazu sofort und immer hilft, ist der gezielte Einsatz von vertrauensbildenden Maßnahmen und Verhaltensweisen. Das sind einerseits die Anwendung der sieben I (siehe „Erfolgsfaktoren für Freiberufler – #5 Vertrauen bauen“) und andererseits die Beachtung der sechs Einflussfaktoren nach Robert Cialdini).
Wertschätzung und persönliche Reife
Gute und erfolgreiche Kooperationen leben von gegenseitiger Wertschätzung, die Goldene Regel – Behandle den anderen so, wie du selbst gerne behandelt werden möchtest! – gilt natürlich auch hier. Offenheit ist gefragt, ohne naiv zu sein, und ausreichende Selbstsicherheit, ständige Angst vor dem „Absaugen“ von Wissen sollte nicht aufkommen müssen, insbesondere in gemeinschaftlicher Arbeit unter Experten aus eng verflochtenen oder gar deckungsgleichen Fachgebieten. Dass derlei gereifte Persönlichkeiten voraussetzt, ist klar. Wenn aber tatsächlich Betriebsgeheimnisse im Spiel sind, muss das zuvor angesprochen werden.
Kein Vordrängeln
Eifersüchteleien, Rangeleien um Aufmerksamkeit und übertriebene Selbstdarstellung sollten in sachverständigem Teamwork nicht vorkommen. Derlei ist wichtig, wenn es zu entscheiden gilt, wer besondere und gemeinsam erarbeitete Ergebnisse präsentiert. Dazu gehört natürlich, dass sich niemand mit fremden Federn schmücken soll – Ehre, wem Ehre gebührt! Andererseits: Wer wirklich wertvolles Wissen und längere Erfahrung besitzt, kann gelassen davon ausgehen, dass er über kurz oder lang entweder hier oder anderswo ohnehin gebraucht wird und muss sich nicht unbedingt nach vorne drängen.
Partnerschaft und Freundschaft
Wer gut zusammenarbeitet, lernt sich besser kennen und kommt sich daher auch emotional näher. Eines der schönen und erfüllenden Ergebnisse von regelmäßigen und gelungenen Kooperationen ist die allmähliche Entwicklung von einer guten Partnerschaft hin zu einer dauerhaften Freundschaft. Aber selbst dann, wenn eine erfolgreiche Zusammenarbeit nur einmalig bleibt und sich nicht mehr oft sieht, ist jede auch nur zufällige Begegnung ein Grund zur Freude und zu gutem Austausch. Jedem Sachverständigen sollte deshalb daran gelegen sein, jeglicher Kooperation, und sei sie noch so kurz, hohe Aufmerksamkeit zu schenken.