Sonnek

Love 2

Der lange andauernde Streit zwischen einem Installateur und einem Lokalbetreiber wegen ungerechtfertigt hoch empfundener Kosten war vor dem Zivilgericht gelandet. Der Installateur hatte geklagt. Gegenstand der Auseinandersetzung waren Installationsarbeiten in einem seit längerer Zeit brachliegenden biederen Landgasthof, der einer installationstechnisch unterstützten baukosmetischen Umwandlung in eine eher zwielichtige Nachtbar mit Bordellbetrieb unterzogen worden war. Die Richterin hatte dazu im Gutachtensauftrag ausdrücklich festgehalten, dass dem Gericht die Darstellungen des Installateurs glaubwürdig erschienen.

In der Sache ging es darum, dass der Lokalbetreiber die Rechnungslegung des Installationsunternehmens nicht nachvollziehen konnte und deshalb die Bezahlung eines Teilbetrags verweigerte. Pläne oder wenigstens Skizzen über die Arbeiten an Heizungs- und Sanitäranlagen existierten nicht. Detaillierte Arbeitsscheine wurden nicht vorgelegt, Lieferscheine waren zwar vorhanden, jedoch war aus diesen keine Zuordnung der angeführten Lieferungen und Leistungen möglich. Aber zur Feststellung dessen, was dort überhaupt von statten gegangen war, war ohnehin eine örtliche Befundaufnahme notwendig.

Ortstermin

Mit dem Begriff Nachtlokal würde man – besonders wenn man der männlichen Hälfte der Bevölkerung angehört – einen sinnlich aufreizenden Ort assoziieren. Tatsächlich fand sich das Objekt mancher Begierde in einer ländlichen Gegend, für die die Bezeichnung trostlos noch eine beschönigende Umschreibung dargestellt hätte. Wahrscheinlich war das Lokal eben aus diesem Grund als eine Art Beitrag zur regionalen Belebung etabliert worden. Allerdings vermochte der äußere Eindruck des Lokals den eines ehemaligen Wirtshauses nicht zu verdrängen. Landgasthof bleibt Landgasthof.

Dringliche Absenzen

Der Beklagtenvertreter erschien verspätet. Seinen vom kernigen Dialekt einer gebirgigen Landesregion begleiteten Ausführungen war zu entnehmen, dass der beklagte Lokalbetreiber leider verhindert sei. Der sitze zurzeit im Landesgericht für Strafsachen ein und es sei ihm als Anwalt nicht gelungen, ihn rechtzeitig freizubekommen. Keiner der Anwesenden wagte, nach dem Grund für das Einsitzen zu fragen. Wegen der dringlichen Absenz des Chefs sei auch der Laden seit längerer Zeit geschlossen. Ein Schlüssel sei aber da. Die Befundaufnahme konnte stattfinden, der Arbeitsumfang wurde zum überwiegenden Teil geklärt.

Noch ein Ortstermin

Kurz darauf veranlasste die Richterin eine neuerliche Befundaufnahme, der Beklagte habe darauf bestanden. Nochmals Anfahrt. Der Beklagtenanwalt ist diesmal pünktlich. Ein weißer Kleinbus der Justizwache trifft ein. Der Fahrer steigt aus, ein Hüne im Kampfanzug mit Schnürstiefel und Barett und fragt, ob alle vor Ort seien. Der Beifahrer steigt aus, ein Zwilling des ersten. Er belehrt die Anwesenden, kein Kontakt mit dem Beklagten, keine privaten Gespräche, keine Dinge übergeben. Ein Dritter Hüne steigt aus, an Handschellen folgt der Beklagte. Klein, schmächtig, Bürger eines östlichen Nachbarstaates, Berufsangabe Artist.

Stemmarbeiten oder keine Stemmarbeiten?

In den Begegnungszimmern waren luxuriöse Whirlpools installiert worden, nur in der Folterkammer war sich wegen der vielen Werkzeuge dort und dem Platz für den Sarg (mit Luftlöchern) nur eine Dusche ausgegangen. Stemmarbeiten seien erforderlich gewesen, auch für die Schaudusche auf der Strip-Tease-Bühne gegenüber vom Bartresen. Der Installateur behauptete, er hätte für die Duschen breite Bodenkanäle und unter den Whirlpools den gesamten Bodenaufbau wegstemmen müssen. Der Beklagte widersprach energisch und meinte, er könne beweisen, dass der alte Bodenaufbau belassen worden wäre.

Justizwache, Freund und Helfer

Man müsse bloß ein Hahntürchen im Gang öffnen, von dem aus könne man unter einem der Whirlpools den alten Boden erkennen. Nun ist ein leerstehendes Nachtlokal, in dem eine Befundaufnahmen im Halbdunkel erfolgen muss, weil bereits der Stromanschluss gekappt worden ist, nicht wirklich ein einladender Ort für diffizile Erkundungen. Zudem war für den Vierkant des Hahntürchens kein Werkzeug verfügbar. Aber unter Aufbietung aller emotionalen Kompetenz erwies sich ein Hilferuf an die Hünen von der Justizwache als erfolgreich und fünf Minuten später war mit Werkzeug und Stablampe aus dem Bus das Türchen geöffnet.

Überraschung, Überraschung …

Tatsächlich, der Boden unter dem Whirlpool zeigte Mosaikfliesen, wie sie vor vielen Jahrzehnten üblich waren – der Beklagte hatte Recht! Das bedeutete, dass der Installateur einen ungerechtfertigt hohen Zeitaufwand für tatsächlich nicht durchgeführte Stemmarbeiten angesetzt hatte. Der Nachweis hatte eine nicht unbeträchtliche Korrektur der vorliegenden Rechnung zur Folge. Der Barbetreiber wurde aber logischerweise zur Nachzahlung der restlichen noch offenen Forderung samt Zinsen verdonnert. Eine wichtige Lehre aus der Sache: Nicht immer ist der vorgeblich Glaubwürdigere tatsächlich glaubwürdig …

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