Das neu errichtete elegante Mehrfamilienhaus gehobenen Standards in schöner Vorstadtlage hatte gerade seinen ersten Winter hinter sich gebracht, als sich dessen Bauträger unerwartet mit unliebsamen Unmutsäußerungen seiner hochgeschätzten und bis dahin friedsam einwohnenden Kunden konfrontiert sah. Gegenstand der Beschwerden war die aus Sicht der Wohnungseigentümer unzureichende Funktion der Heizungsanlage. Das folgende argumentative Gerangel mit dem Installateur und dessen zögerlichen und eher placeboartigen Behebungsversuche fruchteten nichts, woraufhin sich der Bauträger zur Klage genötigt sah.
Es würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen, wollte man hier die ganze Palette der von den Hausbewohnern vorgetragenen Mängelbehauptungen ausbreiten, deren Begutachtung vom Gericht beauftragt war. Wobei nebenbei angemerkt sei, dass das Zustandekommen von Mängellisten irgendwie an das Entstehen von Lawinen erinnert – beides beginnt mit einem kleinen Auslöser, dann kommt noch etwas dazu, dann noch etwas und noch etwas … bis es dann im Ungemach für die einen oder anderen Beteiligten endet, nur mit dem Unterschied, dass Heizungsmängel anders als Lawinenkegel nicht im Frühjahr wegschmelzen.
Die Sache mit den unangenehmen Temperaturunterschieden
Eine Mangelbehauptung war allen Wohnungen gemeinsam: Die angeblich schlechte Funktion der Fußbodenheizungen. Genauer gesagt: Die spürbaren Temperaturunterschiede an den Böden innerhalb eines Zimmers oder Nassraumes. Einzelne Stellen seien zu heiß, andere wiederum unangenehm kalt, was als äußerst unangenehm empfunden werde, insbesondere dann, wenn man barfuß oder in Socken unterwegs sei. Kein Thema hingegen war die Heizleistung, die in allen Räumen als ausreichend angegeben wurde.
Der Befund musste warten …
Die Befundaufnahme musste ein paar Monate warten, war sie doch nur im Winter sinnvoll, wenn der Heizbetrieb Temperaturmessungen möglich machte. Letztere erfolgten dann auch an einem ausreichend kalten Tag und logischerweise unter Einsatz von Thermografie. Die inkriminierten Stellen wurden exakt lokalisiert und protokolliert, mit grafisch aufbereiteten Schnitten durch die Temperaturverläufe und – dank Können des SV-Kollegen Dipl.-Ing. Reinhold J. H. Steinberger von microtool aus Laßnitzhöhe, von dem auch das Bild links oben stammt – mit gelungenen Hybriddarstellungen aus Lichtbildern und Thermografien von besonders auffälligen Stellen.
… und nach der Auswertung stellten sich zwei Fragen
Festgestellt wurde, dass auf Grundlage der Wärmebilder an den beanstandeten Stellen die Verlegung der Fußbodenheizungsrohre nicht mit der zu erwartenden Sorgfalt erfolgt war – entweder waren Rohrabstände zu groß oder zu klein. War das die Oberflächentemperatur betreffend noch innerhalb der Grenzen des Zulässigen? Zwei konkrete Fragen waren zu beantworten:
Erstens: Haben die festgestellten Fußbodentemperaturen die in den einschlägigen Normen festgelegten zulässigen Höchstwerte überschritten?
Das war auf Grundlage der Messergebnisse dezidiert nicht der Fall.
Zweitens: Haben die festgestellten Temperaturdifferenzen ein zulässiges Maß überschritten?
Diese Frage war nicht so geradeheraus zu beantworten. Denn in den für Fußbodenheizungen relevanten Normen ÖNORM EN 1264 „Raumflächen-integrierte Heiz- und Kühlsysteme mit Wasserdurchströmung“ Teile 1 bis 5 finden sich keine geeigneten Beurteilungsgrundlagen über die zulässige Größe von Temperaturunterschieden auf fußbodenbeheizten Oberflächen. (Anmerkung: Liebe Sachverständigen-Kollegen, sollte ich diesbezüglich was übersehen haben, bitte um wohlwollende Berichtigung – wir lernen ja nie aus!). Also musste eine andere Hilfe her.
Der Werte für „Welligkeit“ als Beurteilungs-Notnagel
In der Fachliteratur und in Herstellerunterlagen findet sich vereinzelt der Begriff der „Welligkeit“. Darunter ist der Unterschied der Fußbodenoberflächentemperatur direkt über einem Fußbodenheizungsrohr und in der Mitte zum Nachbarrohr zu verstehen. Konkret finden sich dazu folgende Angaben (Zitate kursiv):
- Schlagnitweit-Wagner, „Heizungs- und Lüftungstechnik, Installations- und Gebäudetechnik“, Ausgabe 2010, Verlag Jugend & Volk, Seite 117, „Hinweise für die Installation“: „Welligkeit im Wohnbereich 4K, im Barfußbereich 2K“
- Pipelife, Technisches Handbuch Floor Therm, Fußbodenheizungssystem, Ausgabe 2016/02, Seite 4, „Welligkeit: Ein weiterer Faktor der Behaglichkeit ist die Welligkeit der Fußbodenoberflächentemperatur. Die maximal zulässige Welligkeit bei Auslegungstemperatur beträgt: für Wohnbereiche 4K, für Barfußbereiche 2K, Unter Welligkeit versteht man die auftretenden Temperaturdifferenzen an der Fußbodenoberfläche, gemessen einerseits direkt über dem Rohrscheitel, andererseits zwischen den Rohren.“
Zieht man mangels besserer Quellen diese Angaben für „Welligkeit“ als allgemein gültige Werte für zulässige Temperaturunterschiede an fußbodenbeheizten Oberflächen heran, können letztere in Wohnräumen mit 4K und in Barfußbereichen mit 2K angesetzt werden.
Fazit
Aus den vorliegenden Wärmebildaufnahmen konnten die Temperaturen und deren Differenzen abgelesen werden. Soweit erkennbar, wurde auf keiner der Oberflächen in den Wohnräumen die zulässige Temperaturdifferenz von 4K überschritten und in keinem der Barfußbereiche (Bäder, WC) die von 2K.
Das bedeutet: So schlampig der Installateur in der Rohrverlegung auch gearbeitet haben mag und so unangenehm die Temperatur-Fleckerlteppiche für das individuelle Empfinden der Bewohner auch gewesen sein mögen – auf Grundlage der Messergebnisse und der verfügbaren Beurteilungsgrundlagen war kein Mangel gegeben.
Dieses Ergebnis sollte aber kein Freibrief für schlampiges Arbeiten sein, im Gegenteil: Wer sorgfältig arbeitet, wird sich gar nicht erst mit Beschwerden der genannten Art herumschlagen, geschweige denn mit dem Gericht Bekanntschaft machen müssen …