Es beginnt mit dem Anruf eines Klienten, der in einem Betriebsgebäude ein unerwartetes technisches Problem hat, das einen Schaden verursacht hat und das für die Benutzer sehr unangenehm ist. Der Klient bittet um rasche Hilfe. Vor Ort zeigt sich, dass zwar das konkrete Problem nicht sehr groß ist und der Schaden rasch behoben werden kann. Allerdings ist das Risiko nicht sofort abschätzbar, ob dieselben Schwierigkeiten nicht zu einem späteren Zeitpunkt an einem anderen Ort im Gebäude wieder auftreten können, mit einem vielleicht dramatischeren Ausgang. Klient, betroffene Benutzer und involvierte Versicherungen sind an rascher Aufklärung interessiert.
In einer unübersichtlichen und von allgemeiner Aufregung gekennzeichneten Situation wird der Sachverständige naturgemäß zuerst einmal Ruhe bewahren und bemüht sein, die Nerven anderer und vielleicht zu Recht aufgebrachter Anwesender zu kühlen, er wird deeskalieren und versuchen, die freigesetzte Energie in sinnvolle Richtung zu lenken. Dann muss er sich Überblick verschaffen und der Reihe nach einige Dinge klären:
- 1. Ist die Mitwirkung des Sachverständigen gewünscht und wenn ja, in welcher Rolle?
Vielleicht erwarten die Anwesenden, dass ein Gutachten erstellt werden soll, bloß weil eben der Sachverständige da ist. Das muss aber nicht sein. Er könnte auch bloß für einen der Personen oder für alle als Berater tätig werden. Vielleicht ist er gar nicht der Richtige am Platz und würde für weitere Fragen einen Kollegen empfehlen. Jedenfalls wird er sich in unter solch unklaren Umständen mit irgendwelchen Äußerungen zur Sache sehr zurückhalten, auch dann, wenn später seine Rolle geklärt ist. Eine Ausnahme ergibt sich natürlich für den Fall, dass unmittelbar Gefahr droht.
- 2. Wer ist sein Auftraggeber?
Zugleich mit der gewünschten oder sich von selbst ergebenden Rolle ist zu klären, wer für den Auftrag verantwortlich ist. Vielleicht hat ein langjähriger Klient den Sachverständigen zur Gutachtenserstellung angefordert, aber der richtige Auftraggeber, also derjenige, der schriftlich den Auftrag vergibt und letztlich auch die Kosten dafür übernimmt, ist beispielsweise eine Versicherung, die voraussetzt, dass er in der Sache und in der Situation nicht befangen ist. Zumeist sind in diesem Fall zuallererst Termin- und Kostenfragen sekundär, aber eine Klärung muss so bald wie möglich erfolgen.
- 3. Was ist sein Auftrag?
Der Inhalt des Gutachtens und dessen Auftrag und Fragestellung erscheint anfangs allen Beteiligten eher unwichtig, Hauptsache, man bekommt ein brauchbares Gutachten. Dabei muss der Auftrag noch formuliert und abgegrenzt werden, wozu die Mitarbeit des Sachverständigen meist unerlässlich ist. Auch in weiterer Folge wird mit dem Auftraggeber diesbezüglich Kontakt zu halten sein, besonders für den Fall, dass bisher unbekannte Informationen vorliegen oder sich im Laufe der Gutachtensvorbereitung neue Aspekte ergeben.
- 4. Wie ist die weitere Vorgangsweise?
Für die Anwesenden wird es eine große Hilfe sein, wenn der Sachverständige – womöglich als einziger – die Lage überblicken kann und befähigt ist, zumindest grob darzulegen, was vor Ort zu tun oder andernorts zu veranlassen ist und wer das erledigen soll. Auch wird er seine nächsten Arbeitsschritte zu skizzieren versuchen. Hilfreich ist ebenso die Angabe des voraussichtlichen Zeithorizonts der Bearbeitung und – falls erforderlich – eine Information darüber, wer als weiterer Experte beigezogen werden muss.
- 5. Wer ist wie in den Informationsfluss einzubinden?
Festzulegen ist auch eine Art „Informationspolitik“, also wer von den Beteiligten in welcher Reihenfolge über welche Sachverhalte zu informieren ist. Das kann insbesondere dann von Bedeutung sein, wenn aufgrund von Gutachtensergebnissen wichtige und alle Beteiligten berührende Entscheidungen und Veranlassungen zu treffen sind. Auf jeden Fall ist Vorsorge zu treffen, dass nicht durch einen ungeregelten oder gar fehlerhaften Informationsfluss Irritationen entstehen oder gar Panik ausbricht.
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Wie man sieht, gehen in den vorhin geschilderten Situationen die Aufgaben des Sachverständigen deutlich über das Sachlich-Fachliche hinaus. Haben Sie Erfahrungen zum Thema? Über eine Antwort würde ich mich freuen!