„Der Eindruck entscheidet darüber, ob wir jemanden sympathisch finden oder nicht.“ – „Mag ja sein, aber Sachverständigen sollten über Gefühle erhaben sein, sie erledigen ihren Auftrag und das war’s.“ Irrtum. Sachverständige sind wie alle Menschen keine seelenlosen Geschöpfe. Sie haben genauso ihre Gefühle, vielleicht haben sie diese berufsbedingt nur besser im Griff. Auch im Umgang mit Kollegen kann es zu interessanten Situationen kommen, in denen letztlich richtiges Verhalten ausschlaggebend sein kann, will man aus der Situation das Beste machen. Hilfreich dafür ist ein einfaches, oft nicht beachtetes Prinzip.
Die Rede ist von der Goldenen Regel: „Alles, was ihr wollt, dass Menschen euch tun, das tut auch ihnen.“ lautet ein bekanntes Bibelwort, dessen Kern auch in anderen Formulierungen zu finden ist, etwa „Wie man in den Wald ruft, so ruft es zurück“. So einfach das Prinzip auch ist, so schwierig scheint es aber in manchen Situationen tatsächlich anwendbar zu sein. Auch unter Sachverständigen stehen dem oft Hindernisse entgegen. Dazu drei Beispiele für Probleme im Umgang miteinander und Anregungen, wie man sich gut aus der Affäre zieht.
1. Mangelnde Achtung
Ein junger Kollege bittet um Teilnahme an der Befundaufnahme in einem Gerichtsverfahren, in dessen Vorfeld der Sachverständige bereits als Privatgutachter tätig war und deshalb einen sehr guten Informationsstand besitzt. Der junge Kollege behandelt seinen Kollegen, mit dem er ansonsten einen durchaus amikalen Umgang hat, ziemlich schroff und zurücksetzend. Er verbittet sich außer knappen Antworten auf seine Fragen jegliche Bemerkung des Sachverständigen, in dem über die aus seiner Sicht unangemessene Verhaltensweise nach einer ersten Phase der Verwunderung allmählich leichter Ärger aufkeimt.
Was tun? Cool down. Ruhig bleiben und freundlich sein. Der junge Kollege ist sich einer Rolle noch nicht sicher genug, die ihm gestatten würde, etwas gelassener zu agieren. Der ältere Kollege wird die Szene zurückhaltend beobachten und ansonsten die Situation innerlich schmunzelnd akzeptieren. Dem jungen Kollegen, der – will er einmal wirklich erfolgreich sein – die richtige Art zu arbeiten erst lernen muss, kann man durchaus nachsichtig begegnen, wenn man sich selbst nicht allzu wichtig nimmt. Und wer weiß, vielleicht wird der junge Kollege beim nächsten Treffen auf sein etwas ungelenkes Verhalten zu sprechen kommen.
2. Ausgenützt werden
Wenn ein Kollege um etwas bittet, wird man ihm das Erbetene nicht von vornherein abschlagen. Schließlich ist man aus derselben Zunft und man ist es gewohnt, einander dort zu unterstützen, wo man wirklich eine Hilfe sein kann. Ein einfacher Tipp oder eine simple Anleitung, was man in einer gegebenen Situation wie am besten tun kann, mag dem Fragenden viele Umwege und unnötige Probleme ersparen. Dass man das üblicherweise auch unentgeltlich tut, gilt als selbstverständlich, zumindest dann, wenn sich der Aufwand für eine Gefälligkeit in vertretbaren Grenzen hält und zumindest ein anerkennendes Dankeschön folgt.
Schlimm allerdings wird es dann, wenn der um Auskunft Heischende die Grenzen des kollegialen Anstands übersieht und auf Kosten des Befragten an sensible Informationen zu kommen hofft, die ihm einen Vorteil bringen, den Befragten aber übervorteilen und ihm dadurch schaden. Das kommt zum Glück nur selten vor. Ein gewiefter Sachverständiger wird den Braten rechtzeitig riechen, sich auch durch noch so nette Gesten beirren lassen und freundlich, aber bestimmt klare Grenzen setzen. Güte und Gutmütigkeit sind zwei grundverschiedene Dinge, Aufrichtig Helfen ja gerne, sich ausnützen lassen aber klar Nein.
3. Fachliche Debatten
Wer hat nicht schon vom „Gutachterstreit“ in öffentlichkeitswirksamen Verfahren vor Gericht oder vor Behörden gehört? Von der Präsentation von Gutachten und Gegengutachten, vom Zusammenprall entgegengesetzter Aussagen, vom Klingenkreuzen konträrer Interpretationen, das alles gewürzt mit einer Palette scharfzüngiger Argumente. Besonders gefährlich dabei sind direkte persönliche Auseinandersetzungen, insbesondere dann, wenn sachliche Beweisführungen im Sande verlaufen und die Debatte stattdessen in persönliche Angriffe abzugleiten droht, wenn „harte Bandagen“ zwischen den Kontrahenten absehbar sind.
Von vornherein wichtig erscheint, dass sich der Sachverständige in derartigen Situationen nicht instrumentalisieren und nicht als „Kugelfang“ für eine Partei ins Gefecht schicken lässt. Er darf sich auch nicht zum Anwalt einer Seite machen lassen, dafür sind andere Personen zuständig. Er muss nur den Inhalt seines Gutachtens gegen Angriffe auf die Sache bezogen verteidigen können, nicht mehr und nicht weniger. Bei alledem muss er in der Lage sein, seine Emotionen zu zähmen, auch dem Kollegen gegenüber, der gänzlich anderer Meinung ist. Denn wer sich in einer Sachdiskussion persönlich betroffen oder gar beleidigt zeigt und sich zu sehr aufregt, hat seine Sache schon verloren.
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Soviel zum Thema Umgang mit Kollegen. Was sind Ihre Erfahrungen? Über Ihren Kommentar würde ich mich freuen!