Sonnek

Technik und Recht

08.07.2016
TR

Jeder Sachverständige, der einen Sachverhalt zu beurteilen hat, wird sich in seiner Begründung auf mehr stützen müssen als auf einschlägige Erfahrungen aus seinem Berufsleben. Vielmehr wird er korrekt vorgehen und ausschließlich Grundlagen heranziehen, die fachlich hieb- und stichfest und vor allem objektivierbar sind. Besondere Aufmerksamkeit ist bei der Suche nach der richtigen Begründung dann vonnöten, wenn sich zum selben Thema in relevanten Normen und geltenden Gesetzen unterschiedliche oder gar widersprüchliche Angaben finden. Was hat mehr Gewicht, was hat Priorität?

Es ist für Sachverständige aus technischen Fachgebieten in höchstem Masse ratsam, sich einige wesentliche Zusammenhänge vor Augen zu führen, die im Schnittbereich zwischen Technik und Recht angesiedelt sind. Die Überschriften der folgenden Auflistung sind einer Darstellung in der Publikation „Technisches Recht“ aus dem Beuth-Verlag entnommen, dem eigene Erläuterungen  und Kommentare angefügt sind.

Im Wesentlichen sind im Hinblick auf zu beachtende Regeln und Vorschriften zwei Wirkungsfelder strikt auseinanderzuhalten: Zum einen der Bereich der staatlichen Hoheit mit seiner Verbindlichkeit und zum anderen der Bereich der Selbstverwaltung der Wirtschaft mit seiner Freiwilligkeit oder freiwilligen Selbstverpflichtung. Die Reihenfolge der nachstehenden Aufzählung entspricht der zu beachtenden Priorität, die ersten haben also Vorrang vor den nachfolgenden.

Staatlicher Hoheitsbereich

Es dürfte klar sein, dass als Grundlage zur Beurteilung eines Sachverhalts geltende Rechtsvorschriften zuallererst heranzuziehen sind.

EU-Richtlinien

Gemeinschaftsbeschlüsse der EU-Institutionen[u1] bilden auch und gerade in technischen Fachbereichen die Grundlage der nationalen Folgegesetzgebung. Es kann manchmal hilfreich sein, auf den Originaltext der jeweiligen Richtlinie zurückzugreifen, um engeren Sinn und ursprüngliche Absichten hinter empfohlenen Maßnahmen zu verstehen.

Gesetze von Bund und Ländern

Dass geltende Gesetze, zum Beispiel den Arbeitnehmerschutz betreffend, vorrangig zu beachten sind, dürfte klar sein.

Verordnungen von Bund und Ländern

Für den Sachverständigen wesentlich interessanter und im Regelfall wichtiger sind die Verordnungen, in denen die Durchführung der Gesetze geregelt ist, im obigen Beispiel des Arbeitnehmerschutzes zum Beispiel die Arbeitsstättenverordnung, aus der sich ganz konkrete Vorgaben und Forderungen entnehmen lassen, die auf ihre Einhaltung geprüft werden können. Ein Beispiel: Wenn die genannte Verordnung für Arbeitsstätten einen personenbezogenen stündlichen Luftwechsel vorschreibt, gelten diese Werte und sind auch einzuhalten. Nicht aber relevant sind andere und davon abweichende Werte, die in einschlägigen Normen angegeben werden.

Verwaltungsvorschriften von Bund und Ländern

Im Bereich der Technik könnte man darunter bestimmte Auflagen verstehen, die im Rahmen eines Verfahrens zur Erlangung einer Betriebsanlagenbewilligung erteilt werden.

Bereich der Selbstverwaltung der Wirtschaft

In diesem Bereich liegt alles, was mit Normung und Standardisierung von Produkten, Verfahren und Dienstleistungen zu tun hat.

Allgemein anerkannte Regeln der Technik

Dieser Bereich beinhaltet in erster Linie die Normen, wobei innerhalb dieser eine etwas andere Prioritätenfolge gilt: Zuvorderst gelten nationale Normen, dann erst Europanormen (EN) oder internationale Normen (z.B. ISO). Wenn keine davon relevant ist, können Normen anderer Länder herangezogen werden (z. B. DIN). In dieser Gruppe ebenso enthalten sind Richtlinien anderer Institutionen (z. B. TRVB, VDI), aber auch Angaben aus in einem Fach weit verbreiteter Fachliteratur.

Regeln der Technik

Hier wird alles zusammengefasst, was “übrig bleibt“, also etwa Regeln anderer Institutionen, Unternehmen, Organisationen etc., wobei deren Bedeutung von Gewicht und Breite des herausgebenden Interessentenkreises abhängt.


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