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Schon vor über einem Jahr wurde in diesem Blog auf eine kommende neue internationale Norm hingewiesen, die Anforderungen an die Qualität von Sachverständigenleistungen festlegt. Jetzt ist sie da! Erstmals existieren damit europaweit einheitliche Vorgaben, welche qualitativen Maßstäbe an die Erbringer, den Ablauf und das Ergebnis von Sachverständigenleistungen zu legen sind. Solche Forderungen sind notwendig, weil Sachverständige anspruchsvolle und verantwortungsvolle Dienstleistungen durchführen, die starke Auswirkungen und Einflüsse auf Personen und Institutionen haben können.

Qualitätsforderungen an Sachverständige sind an sich nichts Neues, allerdings ist vorab darauf hinzuweisen, dass man darunter grundverschiedene Dinge verstehen kann: Entweder Qualität im Sinne der Qualifikation oder aber man meint Qualität im Sinne einer guten Arbeit. Die beiden sind grundverschiedene Dinge, denn man kann auch mit einer hohen Qualifikation schlechte Leistung liefern und mit einer geringeren Qualifikation trotzdem gute Arbeit erzielen.

Qualität im Sinne einer guten Qualifikation

Damit ist die Qualität der Aus- und Weiterbildung gemeint als Kriterium für den Zugang zur Tätigkeit und Aufrechterhaltung derselben, etwa in der Art wie in Österreich bei den  Gerichtssachverständigen üblich. Der hat seine Qualifikation einerseits im Vorfeld seiner Eintragung in die Gerichtsliste der Justiz nachzuweisen und andererseits in regelmäßigen Abständen danach in Vorgängen, den man Zertifizierung und Rezertifizierung nennt. Dadurch wird dem Sachverständigen von offizieller Seite und nach außen hin seine „Qualitätseignung“ bescheinigt. Durch eine derartige „Zugangshürde“ wird sichergestellt, dass der Befugte auch tatsächlich über die entsprechende Befähigung besitzt.

Qualität im Sinne einer guten Arbeit

Das ist der andere Aspekt der Tätigkeit eines Sachverständigen, zu dem es bislang weniger deutliche Festlegungen oder gar Regelungen gegeben hat. Die Notwendigkeit einer systematischen Herangehensweise zur Standardisierung der eigenen Arbeit blieb bisher denen vorbehalten, die Qualitätsmanagement (QM) betrieben und ein Qualitäts-Managementsystem (QMS) aufzubauen hatten. Nunmehr sind aber im Endeffekt alle Sachverständige gefordert, sich Gedanken über Systematisierung zu machen, denn anders lassen sich die neuen Qualitätsvorgaben nicht einhalten.

Die neue ÖNORM EN 16775 …

…, von der die Rede ist, nennt sich in ihrem vollen Wortlaut „Sachverständigentätigkeiten – Allgemeine Anforderungen an Sachverständigenleistungen“ und trägt in der deutschsprachigen Version das Ausgabedatum 15.01.2016. Sie verknüpft unmissverständlich Sachverständigentätigkeit mit dem Dienstleistungsbegriff und „…sieht  Mindestanforderungen für solche Kriterien vor, die auf Sachverständigenleistung Einfluss haben.“ Die Norm „…sollte auch dazu beitragen, Hemmnisse bei der Bereitstellung von grenzüberschreitenden Sachverständigenleistungen abzubauen.“ Des Weiteren wird in der Norm festgehalten: „Das Ziel ist die Normung von Sachverständigenleistungen, um eine sorgfältige und zuverlässige Erledigung der konkret beauftragten Dienstleistung zu gewährleisten.“

Eher Kurioses: Die Norm enthält eine Reihe von Definitionen, aus denen die des „ESP“ hervorsticht. Damit ist nicht das automobilrelevante „Elektronische Stabilitätsprogramm“ gemeint, sondern der „Dienstleister im Sachverständigenwesen“ ist nunmehr der „Expert Service Provider“ oder kurz der „ESP“. Sachverständige heißen also ab jetzt „ESP“.

Abgrenzungen

Die Norm findet aber keine Anwendung, wenn bereits für Sachverständigenleistungen obligatorische, vertragliche oder gesetzliche Rahmenbedingungen gelten, beispielsweise bei Beratungen, Inspektionen oder in Gerichtsverfahren. Zu letzterem ist anzumerken, dass Teile der Norm beispielsweise für Gerichtssachverständige bereits in gesetzlichen Regelungen und Standesvorschriften erfüllt und daher ohne Bedeutung sind (insbesondere die Qualifikation und den Verhaltenskodex betreffend), dass aber sehr wohl der in der Norm beschriebene Verfahrensablauf der Sachverständigenleistung (die Qualität der Arbeit betreffend) für jegliche Sachverständigentätigkeit deshalb von Bedeutung ist, weil er wichtige Grundsätze des QM berücksichtigt.

Verfahrensablauf der Sachverständigenleistung

Die Norm beschreibt hier einen Prozess zur Leistungserbringung. Prozessbeschreibungen sind für QM-Kundige, die etwa nach der ISO 9001 zertifiziert sind, bereits Alltag, für viele Sachverständige aber mit Sicherheit noch Neuland. Ziel ist es, hochwertige Arbeit unter allen möglichen Bedingungen sicherzustellen. Damit sollen Auftraggeber zufriedengestellt werden können und zugleich das Risiko der Leistungserbringung gesenkt werden. Nachfolgend sind kurz die wichtigsten Elemente des beschriebenen Verfahrensablaufes mit Kurzerläuterungen wiedergegeben.

Die wesentlichen Elemente des Prozesses sind:

Erstbeurteilung der Auftraggeberanfrage: Der Sachverständige muss sicherstellen, dass er den Gegenstand des Auftrages richtig verstanden hat und hat sich und seine Fähigkeiten dahingehend überprüft, ob er fachlich, zeitlich und kapazitiv in der Lage ist, den Auftrag auszuführen. Zudem muss er sichergehen, dass der Auftrag nicht gesetzlichen und sonstigen regulativen Bestimmungen widerspricht. Diese Überlegungen sind zu dokumentieren.

Risikoidentifizierung: Zwar muss jeder Sachverständige hierzulande einen aufrechten Versicherungsvertrag vorweisen können. Gemäß Norm hat er darüber hinaus zu prüfen, ob und welche Unwägbarkeiten der unterschiedlichsten Art in einem konkreten Fall vorliegen können. Auch die Ergebnisse dieser Überprüfung werden dokumentiert.

Vereinbarung: Hierin sind Art und Umfang des Auftrages, Zeitraum der Leistungserbringung und Kosten festzulegen. Ebenso sind die Geschäftsbedingungen festzulegen sowie Einschränkungen jeglicher Art.

Leistung des Sachverständigen: Die Norm ist hier recht detailliert. Der Sachverständige soll systematisch und nach festgelegten Standards vorgehen, wie dies auch in einem Qualitäts-Managementsystem üblich ist. Ziel ist, den Kundenwunsch möglichst exakt zu erfüllen.

Dokumentation: Aus Gründen der Nachvollziehbarkeit und der Nachprüfbarkeit sollte eine vollständige Dokumentation der Tätigkeiten vorliegen, auch die Archivierung muss geregelt sein.

Fazit

Wie schon anlässlich des Erscheinens des Normentwurfs kommentiert, ist die Einforderung von normierten Qualitätskriterien in die Sachverständigentätigkeit sehr zu begrüßen, lässt sie doch erwarten, dass sie die Arbeit des Sachverständigen besser und sicherer machen wird. Zudem kann sie helfen, die Arbeit zu beschleunigen, für den Sachverständigen Kosten zu senken und für den Auftraggeber den Nutzen zu erhöhen.

Seminare „Qualitätsmanagement für Sachverständige“

In dieser bereits in den Jahren 2008 bis 2012 in ganz Österreich gelaufenen Seminarreihe wurden alle Forderungen dieser neuen Norm bereits vorweg behandelt. Dies deshalb, weil dieselben Normforderungen bereits im Rahmen der Qualitätsmanagement-Verfahrensnorm ÖNORM EN ISO 9001 behandelt sind, die auch eine der Grundlagen der Seminarreihe bildete. In den genannten Jahren haben über dreihundert Sachverständige die Seminare besucht und diese sehr gut bewertet.

Es ist beabsichtigt, das Seminar demnächst wieder über relevante Organisationen allen interessierten Sachverständigen anzubieten, allerdings in einer stark weiterentwickelten Form, die auch neueste Erfahrungen und letzte wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt und natürlich auch auf die Erfordernisse der neuen Norm eingeht, wobei besonders auf einfache und praxisnahe Umsetzung Wert gelegt wird. Bei Interesse daran bitte um Mitteilung mittels E-Mail an gmbh@sonnek.at.

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