Ein Sachverständiger ist angehalten, sein Gutachten „schlüssig“ zu verfassen. Das bedeutet, dass es für einen Laien verständlich sein muss. Zu dieser Verständlichkeit gehört, dass über die Bedeutung verwendeter Begriffe Klarheit besteht. Der Verfasser wird dazu entsprechende Erläuterungen geben, deren Notwendigkeit etwa für Fachbegriffe oder seltene Fremdwörter offensichtlich ist. Zu wenig hingegen wird beachtet, dass auch allgemein übliche Begriffe eine Bedeutungserklärung benötigen können, will man nicht aneinander vorbeireden. Apropos: Was versteht man eigentlich unter einem Gutachten?
Die Frage verlangt nicht nach einer Allerwelts-Antwort, sondern nach einer genauen und umfassenden Definition, die alles beinhaltet, was ein Gutachten seinem Wesen nach ist. Die meines Erachtens beste Definition findet sich im Buch „Das Gutachten des Sachverständigen – Rechtsgrundlagen, Fragestellungen, Gliederung, Rationalisierung“ von Bernd Zuschlag, hier entnommen der 2. Auflage 2002. Die zentralen Elemente sind fett hervorgehoben:
„Ein Gutachten ist eine umfassende schriftliche (und ggf. mündliche), für den Adressaten nachvollziehbare Darlegung der Aufgabe, des Verlaufs, des Ergebnisses und der Bewertung dieses Ergebnisses einer Untersuchung auf der Grundlage eines beachtlichen Abwägungsprozesses durch eine Person oder eine Personenmehrheit, die die dafür erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen besitzt, wobei die zugrunde gelegten Beurteilungsmaßstäbe und die zur Verfügung stehenden oder gestellten Hilfsmittel anzugeben sind.“
Auf einige Aspekte dieser Definition sei kurz näher eingegangen:
- Ein Gutachten muss zwar nicht unbedingt schriftlich gegeben werden, jedoch wird man – nicht nur bei Gericht – wohlweislich eine Protokollierung vornehmen müssen, soll das Gutachten bleibenden Wert besitzen.
- Die Nachvollziehbarkeit muss gemäß dieser Definition für den Adressaten gegeben sein, der im Regelfall ein Laie sein wird. In Österreich verwendet man stattdessen den Begriff „Schlüssigkeit“. Dagegen ordnet man hierzulande dem Begriff „Nachvollziehbarkeit“ die Eigenschaft zu, dass das Gutachten für einen Fachmann verständlich sein muss.
- Eine kurze Darlegung des Verlaufs kann für den Auftraggeber dahingehend hilfreich sein, dass er nicht nur mit dem Ergebnis selbst (der eigentlichen gutachterlichen Schlussfolgerung) konfrontiert ist, sondern auch über den Ablauf dahinter informiert wird, was ihm aufzeigt, auf welche Weise und auf welchen Wegen der Gutachter zu seinem Ergebnis gekommen ist. Zudem gibt eine Darlegung einen Einblick in den dafür erforderlichen Aufwand;
- Die Bewertung des Ergebnisses einer Befundaufnahme könnte auch durch eine Gruppe von Sachverständigen erfolgen, wobei in einem derartigen Fall durchaus auch eine Personenmehrheit ausschlaggebend sein kann, was heißt, dass die Bewertung nicht unbedingt einstimmig erfolgen muss.
- Die Beurteilungsmaßstäbe sind vom Gutachter festzulegen und müssen offengelegt und auch begründet werden, etwa wie der Maßstab des „Standes der Technik“ ermittelt worden ist oder welche anerkannten Regeln der Technik oder der Wissenschaft herangezogen worden sind. Andere Maßstäbe – die vielleicht von Verfahrensbeteiligten herangezogen werden – können naturgemäß andere Ergebnisse bewirken.
Haben Sie Anmerkungen dazu oder ist Ihnen eine andere Definition bekannt? Über Ihre Antwort würden wir uns freuen!