Sonnek

BlitzTechniker sind meist nüchterne Menschen. Wenn sie es nicht schon vom Naturell her waren, sind sie es spätestens im Zuge ihrer Berufslaufbahn geworden. In gewissem Grad erwarten sie diese Nüchternheit auch von Gesprächspartnern, was nahe liegt, haben sie es doch zumeist oder zumindest im beruflichen Umfeld mit anderen Technikern oder Angehörigen eher „nüchterner“ Berufe zu tun, etwa Betriebswirtschaftlern, Juristen oder dergleichen. Was aber, wenn ein technischer Sachverständiger sich mit Personen befassen muss, die sich in einem emotionalen Ausnahmezustand befinden? Einige Gedanken dazu.

Mit Personen unter Ausnahmezustand sind hier ganz normale Menschen gemeint, die – aus verschiedensten Gründen – unter starkem inneren oder äußeren Stress stehen und daher nur über ein sehr eng begrenztes Reservoir an Geduld und Gelassenheit verfügen. Kommt nun eine zusätzliche Anspannung dazu, etwa im Zuge einer vom Gericht angeordneten Befundaufnahme, kann jemand leicht seine Fassung verlieren und die Sacharbeit bremsen, ja im äußersten Fall zum Stillstand bringen.

Bevor der Sachverständige jedoch seinen Termin genervt abbricht, sollte er lieber „einen Gang zurückschalten“, kurz innehalten und sich auf die Ausnahmesituation ganz bewusst einstellen. Und dann – ohne von der rein fachlichen Seite abzugehen – die Emotionen aufzufangen, zu kanalisieren und in produktive Bahnen zu lenken versuchen. Wie das gehen kann? Natürlich braucht es eine gewisse Erfahrung im Umgang mit Menschen, aber es gibt einige Regeln, mit denen man derartige Situationen auch als Newcomer gut abfedern kann:

1. Ruhe bewahren

Das ist das oberste Gebot! Keinesfalls darf sich der Sachverständige provozieren lassen, auch nicht bei ungestüm vorgebrachten persönlichen Angriffen, etwa dem Vorwurf der Befangenheit („Ihr steckt doch sowieso alle unter einer Decke!“). Keinesfalls darf er sich an die gehobene Lautstärke angleichen oder sie gar überbieten wollen. Hier gilt: Der Sachverständige, der beginnt, herumzubrüllen, hat seine Autorität schon verloren!

Ziel muss es sein, ein Mindestmaß an Gelassenheit zu bewahren. Das kann man dadurch fördern, dass man innerlich (und wenn nötig vor Ort auch räumlich) aus der Szenerie kurz zurücktritt und sich auf Beiträge zum Deeskalieren besinnt, notfalls auch durch temporären Themenwechsel. Den Gesprächs- und Handlungsfaden darf sich der Sachverständige als Leiter eines Ortstermins aber nicht nehmen lassen.

2. Sachlich bleiben

Bei gefühlsbetonter Argumentation entsteht schon einmal ein explosives Gemisch aus Fakten und Behauptungen, angereichert mit emotionalen Elementen, das jederzeit zur Eruption eines schlummernden Gefühlsvulkans führen kann.  Ein Sachverständiger darf sich auch bei größtem Verständnis für die Anliegen echauffierter Personen niemals in den Strudel der Auseinandersetzung ziehen lassen. Schließlich sind Sachfragen zu klären, für Wettkämpfe auf der Emotionsebene ist dabei kein Platz.

Es ist die Aufgabe des Sachverständigen, aus einer brisanten Mischung von Äußerungen fein säuberlich die Fakten herauszuklauben und die anderen Felder der Auseinandersetzung zu verlassen. Das ist absolut vorzuziehen und für alle Beteiligten lohnend, auch wenn dieses Beharren auf Tatsachen in geladener Atmosphäre mühsam erscheint und zum Herausfinden des Relevanten mehrere Anläufe notwendig sein sollten. In solchen Fällen kann die oben angesprochene Nüchternheit des Technikers ein Vorteil sein.

3. Beharrlich sein, aber Geduld haben

Der Sachverständige darf in allem Trubel den Faden nicht verlieren, er muss beharrlich an seiner Aufgabe dranbleiben, darf sich auch durch scheinbare Rückschläge vom Faktenfindungsprozess nicht abbringen lassen. Zu Beharrlichkeit, mit der die Agenda Schritt für Schritt abgearbeitet werden kann, gehört auch Geduld im Umgang mit den beteiligten Personen. Menschen sind schließlich keine Maschinen, die auf Knopfdruck funktionieren.

Selbstverständlich ist es nicht auszuschließen, dass ein Sachverständiger gezwungen ist, einen Termin etwa wegen scheinbar unüberbrückbarer Differenzen abzubrechen. Aus persönlicher Erfahrung aus mehreren solcher Anlässe lässt sich aber sagen, dass immer ein Kompromiss gefunden werden kann, wenn ein Termin aus nichtfachlichen Gründen zu scheitern droht. Eher kommt es vor, dass aus örtlichen oder zeitlichen Gegebenheiten die fachliche Seite des Auftrages nicht oder nur zum Teil erfüllt werden kann und ein zweiter Termin notwendig wird.

4. Freundlich sein

Das größte Atout des Sachverständigen spielt er zum Schluss dann aus, wenn er in allen Umständen nicht nur Ruhe bewahrt hat, immer sachlich geblieben ist, beharrlich seinen Auftrag erledigt hat und allen Personen gegenüber geduldig war, sondern darüber hinaus es geschafft hat, im gesamten Verlauf eines kritischen Termins freundlich und zuvorkommend zu bleiben. Das macht nicht nur unmittelbaren Eindruck auf alle Beteiligten, sondern schafft etwas entscheidend Wichtiges, nämlich ein hohes Maß an Vertrauen in seine künftige Tätigkeit.

Gewiss ist dazu eine in hohem Maße gereifte Persönlichkeitsstruktur notwendig, auch ist es von Vorteil, wenn der Sachverständige sich selbst und – soweit notwendig – auch andere Personen nicht immer tierisch ernst nimmt. Aber Freundlichkeit sollte kein Privileg von Selbst- und Menschenkenntnis sein, sondern ganz einfach ein Ausdruck von persönlicher Achtung und Respekt einem Mitmenschen gegenüber. Das selbst dann, wenn man seine Haltung nicht versteht und seine Meinung nicht billigt.

Haben Sie auch Erfahrungen im Umgang mit schwierigen Situationen wie sie hier beschrieben sind? Wir würden uns über Ihren Kommentar freuen!

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