Ein Gutachter kann doch auch Berater sein, schließlich hat er doch Fachwissen und Sachverstand, oder nicht? Und umgekehrt: Kann nicht ein Berater auch Gutachter sein? Zweimal ja! Denn hier handelt es sich um Funktionen, die eine entsprechend qualifizierte Person ausfüllen kann. Allerdings unterscheiden sich beide in einem ganz wesentlichen Punkt. Dieser ist auch der Grund dafür, dass etwa ein Sachverständiger nicht zur selben Zeit in derselben Angelegenheit zugleich Gutachter und Berater sein kann. Oder zumindest sein sollte. Denn dabei geht es weniger um fachlich-sachliche Aspekte, sondern um Fragen der Verantwortung.
Wie halt überall dort, wo sorgfältig gearbeitet wird, wollen wir uns auch hier zuerst einmal anschauen, was hinter den beiden Begriffen „Gutachter“ und „Berater“ steckt und worin sie sich unterscheiden. Also werfen wir zuerst einen Blick in Wikipedia.
Was ist ein Gutachter?
Die Bezeichnung „Gutachter“ wird hier in seiner Bedeutung gleichgesetzt mit dem Wort „Sachverständiger“. Zu letzterem findet sich eine Definition von EuroExpert – der European Organisation for Expert Associations – wie folgt:
„Der Sachverständige ist eine unabhängige integre Person, die auf einem oder mehreren bestimmten Gebieten über besondere Sachkunde sowie Erfahrung verfügt. Der Sachverständige trifft aufgrund eines Auftrages allgemeingültige Aussagen über einen ihm vorgelegten oder von ihm festgehaltenen Sachverhalt. Er besitzt ebenfalls die Fähigkeit, die Beurteilung dieses Sachverhaltes in Wort und Schrift nachvollziehbar darzustellen.“
Die Berufsbezeichnung „Sachverständiger“ ist nicht gesetzlich geschützt, wohl aber die des „Allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen“.
Was versteht man unter einem Berater?
Eine Definition findet sich hier über das Stichwort „Beratung“ und die lautet so:
„Der Begriff Beratung bezeichnet umgangssprachlich ein strukturiertes Gespräch oder eine vergleichbare Kommunikationsform (Brief, E-Mail o. ä.) oder auch eine praktische Anleitung, die zum Ziel hat, eine Aufgabe oder ein Problem zu lösen oder sich der Lösung anzunähern. Meist wird Beratung im Sinne von „jemandem in helfender Absicht Ratschläge erteilen“ verwendet.
Die Berufsbezeichnung Berater ist nicht geschützt und wird oft auch in ehrenamtlichen Prozessbegleitungen verwendet.“
Worin liegt der Unterschied?
Vergleicht man die beiden Definitionen, sieht man zwar nicht viel Gemeinsames, aber auch nicht etwas wirklich Trennendes: Beide haben mit Sachverhalten zu tun, beide setzen Wissen dazu voraus und in beiden Fällen will man zu einem Ergebnis kommen, das ihrem Auftraggeber weiterhilft. Worin liegt also der Unterschied, warum kann ein Gutachter nicht auch zugleich in ein und derselben Angelegenheit Berater sein?
Der Schlüssel zur Erkenntnis liegt nicht im fachlichen Teil, sondern im grundsätzlich unterschiedlichen Verhältnis zum jeweiligen Auftraggeber. Lassen wir dazu einen Experten zu Wort kommen: Dr. Harald Krammer, Richter und Präsident i. R. des Oberlandesgerichtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland.
Im von ihm mitverfassten Werk „Sachverständige und ihre Gutachten: Handbuch für die Praxis“, das 2012 in Wien erschienen ist, postuliert er eine deutliche Abgrenzung der Rolle des Sachverständigen (oder Gutachters) von der des Beraters, weil letzterer im Gegensatz zu ersterem eine Funktion im Interesse und zur Unterstützung des Auftraggebers ausübt:
„Einerseits kann die Sachkunde für die die Interessen des Auftraggebers wahrende Beratungstätigkeit genutzt werden, bei der das Fachwissen einseitig für die Anliegen der einen Seite genützt wird und die Argumente für den Standpunkt des Auftraggebers herausgearbeitet werden.“
Im Unterschied zum Sachverständigen ist der Berater nicht unabhängig tätig und das Ergebnis der Tätigkeit eines Beraters ist nicht als Gutachten zu bezeichnen:
„Berater sind nicht unabhängig, sondern zur Loyalität ihrem Auftraggeber gegenüber verpflichtet, sie arbeiten Interessen wahrend. Das Ergebnis ihrer Tätigkeit sollte stets als „Beratung“, nicht aber als „Gutachten“ bezeichnet werden.
Auf der anderen Seite steht die Gutachterarbeit, bei der die von den Auftraggebern gestellten Sachverhaltsfragen mit hoher Sachkunde von einer zu strikter Objektivität und Unparteilichkeit verpflichteten Person, somit ohne jede Interessenwahrung, beantwortet werden.“
Dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen!
Mai 14th, 2021 - 07:04
Super geschriebener und informativer Artikel . In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen