Wenn von Netzwerken und Kooperationen unter Sachverständigen die Rede ist, wird sehr bald das Thema Wissensdiebstahl angeschnitten. Insbesondere unter Vertretern gleicher, ähnlicher oder angrenzender Fachgebiete bestehen oft Bedenken, dass im Fall einer Zusammenarbeit spezielles Wissen an einen Kooperationspartner weitergegeben wird, der später vielleicht bei einem ähnlichen Projekt Mitbewerber sein wird. Was, wenn dadurch die Stellung des anderen gestärkt wird und die eigene Wettbewerbsfähigkeit geschwächt, wenn nicht gar verloren geht? Sind solche Vorbehalte gerechtfertigt? Erfahrung lehrt das Gegenteil.
Einige Erkenntnisse aus der Zusammenarbeit mit Kollegen und Erfahrungen im Umgang mit Netzwerkpartnern lassen sich in folgenden Aussagen zusammenfassen:
- 1. Wissen und Information sind nicht dasselbe
Diese Anmerkung klingt haarspalterisch, den Unterschied zu beachten ist aber wichtig. Wissen ist immer an Personen gebunden und daher immer individuell. Niemand verfügt über das gleiche Wissen. Wissenszuwachs entsteht durch Aufnehmen und Einbinden von Informationen in das eigene Wissensgefüge. Wir können daher niemals direkt und unmittelbar Wissen austauschen – auch wenn wir das in unserem üblichen Sprachgebrauch so nennen – sondern tun das streng genommen nur über Informationen. Wie jemand eine derartige Information in sein Wissen einfügt, ist wiederum völlig von der aufnehmenden Person abhängig. Das bedeutet im Endeffekt: unser Wissen ist so unterschiedlich, wie wir als Person unterschiedlich sind und dieser Unterschied ist bleibend.
- 2. Geteiltes Wissen wächst
Schon des Öfteren wurde in diesem Blog darauf hingewiesen, dass Wissen wächst, wenn es geteilt wird. Das unterscheidet das Nichtmaterielle vom Materiellen: Ein Kuchen, von dem etwas abgeschnitten wird, wird kleiner. Es ist ja letztlich auch der Sinn dieses Blogs, der darin besteht, Informationen weiterzugeben, also letztendlich Wissen zu teilen. Mittlerweile benutze ich selber die Suchfunktion, um auf Informationen aus früheren Beiträgen zurückzugreifen, die mir nicht mehr genau erinnerlich sind. Ich kann nur jedem empfehlen – sofern er nicht gerade Geheimnisträger ist oder sensible Wettbewerbsgründe dagegensprechen – auch seine Wissenswelt anderen zu öffnen.
- 3. Geben und Nehmen hängen zusammen
Es gibt nicht nur in der natürlichen, sondern auch in der geistlichen Welt den Grundsatz von Saat und Ernte: Man erntet nur, wenn man zuvor gesät hat, und man kann nur das gleiche ernten, das man gesät hat. In der Landwirtschaft: Wer Weizen sät, wird Weizen ernten. Im Leben ganz allgemein: Wer Gutes sät, wird Gutes ernten. In Netzwerken: Wer Informationen sät, wird Informationen ernten. Interessanterweise hat das meist nicht unmittelbar mit ein- und derselben Person zu tun: Die Bereitschaft, einem zu helfen, bringt oft Hilfe von ganz anderer Seite, sehr oft gerade von dort, wo man es nicht erwartet hätte …
- 4. Besser Offenheit statt Geheimniskrämerei
Was mich an Gesprächspartnern aus U.S.-Unternehmen oftmals beeindruckt hat, ist ihre Offenheit und Bereitschaft, über neue Ideen zu reden, sei es über Entwicklungen und Erfindungen oder über neue Konzepte, aber auch ganz offen über anstehende Probleme. Zur Lösung ebendieser Probleme werden Partner gesucht. Wie anders verhalten sich manche Unternehmen oder Personen hierzulande: Neue Entwicklungen werden vielleicht viel zu oft geheim gehalten, auch wenn man selbst nicht mehr weiter weiß und gut daran täte, sich um Hilfe umzuschauen. Ebenso verhält es sich mit unserem Wissen: Wir sollten gerne bereit sein, auch mal unseren schärfsten Mitbewerbern mit unserem Wissen aushelfen. Wer weiß, vielleicht wird daraus einmal eine schlagkräftige Zusammenarbeit.
- 5. Trittbrettfahren ist verboten
In Netzwerken, in denen Wissen geteilt wird, sind jene Gäste nicht willkommen, die zwar „den Fuß in der Tür“ haben, um im Fall der Fälle dabei zu sein, wenn sich ein passendes Projekt abzeichnet, ansonsten aber von sich aus keine Akzente in Richtung Gemeinsamkeit setzen. Derartige Passivität wäre an sich noch kein Problem, wenn diese Zeitgenossen aber alle Informationen interessiert aufsaugen, die sie irgendwie bekommen können, in der Gegenrichtung aber „mauern“ und keine Bereitschaft zum Teilen zeigen, werden sie von den anderen bald gemieden und enden in der Isolation.
Anmerkungen zum Thema? Kommentare willkommen!