Sonnek

Beruf

„Zeit oder Herz – Das ist hier die Frage …“ wäre frei nach Hamlet ein guter Einstieg in das für Freiberufler überlebenswichtige Thema Beruf und Berufung: Der Berufstätige verkauft Lebenszeit, um leben zu können, der Berufene setzt sein Herz ein, um zu leben, wofür er geschaffen ist. Der Berufstätige möchte die Zeit bis Feierabend rasch vergehen sehen, dem Berufenen vergeht die Zeit zu rasch. Der Berufene brennt für seine Sache, der Berufstätige läuft Gefahr, auszubrennen. Der Beruf wird erlernt, die Berufung wird entdeckt. Lassen sich die zwei vereinbaren? Eine Spurensuche.

Begabung

Jeder ist mit bestimmten Talenten geboren. Im ersten Artikel dieser Serie wurde über Talente gesprochen und die Wichtigkeit, sie zu Stärken zu entwickeln. An der Art der Talente lässt sich die Richtung unserer Berufung erkennen. Nicht alle Talente können wir zu Stärken entwickeln, entweder weil uns die Gelegenheit dazu fehlt, oder aber, weil wir sie nicht entdeckt haben. Dennoch formt das Bukett der zu Stärken gewordenen Talente aus jedem von uns ein unverwechselbares Original. Es ist ein Geschenk an uns selber und an unsere Mitmenschen – je ausgeprägter es ist, desto besser!

Beruf

Sollen wir jetzt unseren Beruf in die Büsche werfen und uns allein auf unsere doch so wunderbare Berufung stürzen? Natürlich nicht! Erstens wird das wohl wirtschaftlich nicht sinnvoll und auch meist aus den Lebensumständen heraus nicht machbar sein. Und zweitens bleibt es wichtig, vor Änderungen nüchtern und überlegt zu bleiben und nichts zu überstürzen.

Denn unser Berufsleben, dem wir üblicherweise die beste Tageszeit widmen, ist eine wichtige  „Spielwiese“: Auf ihr haben wir in der Vergangenheit jene Fähigkeiten erworben, die uns für unsere Arbeit- oder Auftraggeber wertvoll machen. Auch haben wir uns in dieser Umgebung sozialisiert und sind in ihr emotional verwurzelt, vorausgesetzt natürlich, dass wir unsere Aufgabe dort zumindest im Großen und Ganzen akzeptabel finden.

Berufung

Welchen Platz hat dann die Berufung in unserem Leben? Dazu zwei Thesen. Die erste: Unsere Berufung läuft nicht davon. Sie ist stets präsent, sie formt nicht nur unsere Identität, sie ist unsere Identität. Vielleicht äußert sie sich in verschiedenen Lebensphasen unterschiedlich, aber sie ist konstant. Zweite These: Die Berufung drängt sich nicht auf, aber sie mischt immer mit. Wie eine Kompassnadel sich stets nach Norden ausrichtet, schwingt sich all unser Bestreben immer in Richtung unserer Berufung ein.

Wie wirkt sich das aus? Dazu zwei Beobachtungen: Erstens in den Dingen, die wir gerne tun. Die machen wir auch dann, wenn es uns materiell keinen Nutzen bringt. Wer gerne Reden hält, wird jede Möglichkeit dazu nutzen, wer leidenschaftlich musiziert, ebenso. Nicht nur in der Freizeit, auch im Beruf werden Gelegenheiten genutzt, Berufung auszuleben. Zweitens: Wir tun es nicht nur für uns allein, sondern wir nehmen unsere Mitmenschen mit hinein in unser Erleben und lassen sie daran teilhaben.

Von Koexistenz zur Verschmelzung

Können Beruf und Berufung verschmelzen? Ja. Glücklich, wer in seiner Berufung aufgeht, damit noch Menschen dient und damit Werte schafft, die gut honoriert werden. Das ist wohl nicht der Regelfall. Die meisten erfolgreichen Selbständigen und Freiberufler haben es aber geschafft, ihren Beruf im Laufe einer allmählichen Migration im Feld ihrer Berufung anzusiedeln. Sie haben die beiden Sphären zu einem guten Teil in Überdeckung gebracht.

Wer sich nicht mit einer entfernten Koexistenz von Beruf und Berufung zufrieden gibt, braucht Mut zum ganz persönlichen Fortschritt. Nicht bloß dazu, Veränderung über sich ergehen zu lassen, sondern Mut zur Gestaltung dieser Veränderung. Unser Umfeld wird das nicht immer gutheißen und an unserer Vernunft zweifeln.

Was soll‘s: George Bernhard Shaw soll einmal sinngemäß gemeint haben, dass sich ein vernünftiger Mensch seiner Umgebung anpasst, ein unvernünftiger aber alles versucht, seine Umgebung sich anzupassen. Daher sei aller Fortschritt den Unvernünftigen zu verdanken.

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