Sonnek

Befund

Heute dreht sich alles um das Gutachten im engeren Sinne, um das Kernstück der ganzen Anstrengung und damit um jenen wichtigen Teil, der der gesamten Arbeit ihren Namen und auch ihren Sinn gibt. Alle bisher besprochenen Teile waren im Grunde genommen nur notwendiges „Zuarbeiten“. Was ist so besonders an diesem Segment des ganzen Gutachtens und was unterscheidet es von den vorhergehenden Abschnitten? Und warum stürzt sich jemand, der ein Gutachten in Auftrag gegeben hat und es schlussendlich in die Hand bekommt, zuallererst auf diesen Teil?

Die Antworten auf diese Fragen der Reihe nach:

Die bisher besprochenen Teile des Gutachtens haben das Ziel, die für die Fragestellung im Gutachtensauftrag relevanten und wichtigen Teile zusammenzutragen und aufzubereiten unter dem Gesichtspunkt höchstmöglicher Objektivität. Zum Unterschied davon bringt der Gutachtensteil die Schlussfolgerungen und damit die Meinung des Sachverständigen zum Ausdruck. Der Teil basiert daher letztlich auf seinem eigenen, subjektiven Standpunkt, ohne aber dass er dabei die vorliegenden Fakten aus den Augen verlieren darf.

Daher ist es naheliegend, dass der Auftraggeber sich nach Erhalt des Gutachtens zuerst mit diesen Aussagen beschäftigt und herauszufinden versucht, wie seine Fragen beantwortet werden und wie es daher in seiner Angelegenheit denn nun steht.

Kurz zusammengefasst seien hier die wichtigsten Anforderungen an das eigentliche Gutachten:

Fragen brauchen Antworten

Klingt banal, ist es aber nicht. Jeder Gutachter muss sich sehr intensiv mit den ihm vorliegenden Sachverhalten beschäftigen und wächst deshalb im Laufe der Beschäftigung sehr tief in die Sache hinein. Er entwickelt seine eigene Sicht auf die Dinge und tendiert dazu, die Fragen aus dieser seiner Eigensicht zu beantworten. Er unterliegt damit der Gefahr, nicht diejenige Frage zu beantworten, die der Auftraggeber eigentlich gestellt hat.

Für den Sachverständigen ist es somit sinnvoll, dass er Antwort auf die Fragen zwar schriftlich niederlegt, dann aber gedanklich zurücktritt und pausiert, danach die Fragen nochmals genau durchliest, den Sinn dahinter neu erfasst und schließlich die eigene Antwort nochmals dahingehend prüft, ob sie tatsächlich den Sinn der Frage treffen.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass dieses „Einbremsen“ und genaue Prüfen, ob die Frage wirklich und erschöpfend beantwortet ist, die Qualität der Arbeit des Sachverständigen sehr stark steigern kann. Qualität heißt ja, den Anforderungen des Auftraggebers zu entsprechen. Natürlich nicht in dem Sinn, dass ihnen inhaltlich entsprochen wird, sondern in dem Sinn, dass der Auftraggeber die Antworten verstehen und mit ihr etwas anfangen kann, unbeschadet davon, ob sie für ihn positive oder negative Konsequenzen haben.

Antworten brauchen Begründungen

Es reicht nicht aus, eine Antwort kommentarlos „hinzuknallen“, vielmehr benötigt sie eine solide Begründung. Die wiederum verlangt nach sauberen Beurteilungsgrundlagen, von denen im Befund schon die Rede war. Und die Beurteilungsgrundlagen müssen für die Sachverhalte, auf die sich die Antworten beziehen, gültig sein und sich darauf anwenden lassen.

Aus meinem technischen Fachgebiet versuche ich, Beurteilungsgrundlagen gemäß folgender Rangordnung zu finden, wobei die erstgenannte die wichtigste darstellt und die nachfolgenden demgemäß abnehmende Bedeutung haben:

- Gesetzliche Grundlagen (Gesetze, Verordnungen)
- Konkrete Verwaltungsvorschriften (z. B. Inhalte von Bescheiden)
- Allgemein anerkannte Regeln der Technik (Normen, technische Richtlinien etc.)
- Angaben aus der Fachliteratur
- Empfehlungen von Verbänden und Berufsorganisationen
- Angaben von Herstellern, Lieferanten (z. B. zur Feststellung des Standes der Technik)
- Eigene Erfahrungen

Die eigenen Erfahrungen sehe ich eher als „Notnagel“ und als schwächste Grundlage, wenn sonst auf keine andere der genannten Bezug genommen werden kann. Andererseits sind Eigenerfahrungen sehr wertvoll in der Konzeption der Antworten und in der Unterstützung der vorher gereihten Beurteilungsgrundlagen.

Antworten und Begründungen brauchen Schlüssigkeit

Es soll hier nicht vorrangig auf die Qualitätskriterien eines Gutachtens eingegangen werden, ausgenommen auf das der Schlüssigkeit. Darunter ist die Forderung zu verstehen, dass die Antwort und deren Begründung sich als Schlussfolgerung einerseits aus den im Befund dargelegten Sachverhalten und andererseits aus der Anwendung von Beurteilungskriterien herleiten lassen.

Es ist von Vorteil, die Beantwortung der Fragen im Gutachtensteil auch auf diese Forderung hin zu überprüfen. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, die Darstellungen im Befund auf unnötigen „Ballast“ zu überprüfen, der nicht zur Fragebeantwortung beiträgt. Weniger ist oft mehr!

Anmerkung: Über andere Qualitätskriterien für Gutachten werden wir uns nach Abschluss dieser Serie zu einem künftigen Zeitpunkt in eigenen Folgen unterhalten.

Haben Sie Anmerkungen zum Thema? Ich freue mich über Ihre Mitteilung!

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