Wer kennt das nicht: Das Projekt ist bisher gut gelaufen, aber auf einmal ist Sand ins Getriebe gekommen, nichts scheint mehr weiterzugehen; Die Fronten in zähen Auftragsverhandlungen verhärten sich, Stillstand oder gar Abbruch drohen; Parteien vor Gericht steigern sich in gegenseitige Schuldzuweisungen mit anschließender Schlammschlacht und emotionaler Eskalation. Drei Beispiele für menschliche Interaktionen, die in scheinbar unlösbare Probleme münden. Was kann man jetzt tun? Wie kommt man aus dem Schlamassel wieder heraus? Wie kann ein Außenstehender helfen?
Der richtige Umgang mit Problemen anderer ist für viele von uns und natürlich besonders für Sachverständige eine wichtige Grundvoraussetzung für erfolgreiche Arbeit. Wir können die Probleme zwar meist nicht lösen, aber wir müssen sie auch bei hoher Komplexität handhaben können. Und dazu gehört zu allererst, dass wir sie analysieren, denn in der richtigen Analyse zeichnen sich schon sehr oft Ansätze zu potentiellen Lösungen ab.
Vor einigen Jahren habe ich einen recht einfachen, aber sehr effektvollen Ansatz zur relativ raschen und zielführenden Analyse auch komplexerer Probleme kennengelernt und ihn auch viele Male anwenden können. Er liegt schlicht darin, dass wir drei Ebenen des uns vorliegenden Problems näher untersuchen: die persönliche, die operative und die strategische. Wie die Grafik oben zeigen soll, sind diese Ebenen teils für sich allein relevant, in bestimmten Abschnitten aber miteinander verbunden.
Zur Analyse betrachtet man jede der drei Ebenen separat und stellt sich zugehörige Fragen, wie zum Beispiel …
… zur persönlichen oder Beziehungs-Ebene:
Was ist auf der Beziehungsebene passiert? Was ist in den Beziehungen möglicherweise schiefgelaufen? Wurden Erwartungen enttäuscht? Wurden Wünsche übersehen oder missachtet? War die Kommunikation schlecht oder nicht vorhanden? Waren zu wenig persönliche Achtung und Wertschätzung gegeben? Wurden Vereinbarungen oder Anweisungen missachtet? - Die Antworten sollen helfen, die Beziehungen der Beteiligten untereinander auf Störfaktoren zu „durchforsten“.
… zur operativen Ebene:
Was ist bei der bisherigen Durchführung (z. B. des Projektes) schiefgelaufen? Wurden bestimmte Vorgaben missachtet und technische Regeln nicht eingehalten? Wurden Vertragsinhalte missachtet? Wurden unzulängliche Materialien verwendet? Wurde die gebührende Sorgfalt nicht aufgeboten? Wurde der Auftrag überhaupt technisch oder organisatorisch unzureichend ausgeführt? Wurden Spezifikationen, Kosten oder Termine nicht eingehalten? – Die Antworten geben Hinweise auf Störquellen in der praktischen Abwicklung oder Vorgehensweise.
… zur strategischen Ebene:
Welche Ziele verfolgten die Vertragsparteien, war von vornherein Konfliktpotential gegeben? Was waren die wahren Absichten? Gab es versteckte Agenden? Sind die Vertragspartner für die Ziele maßgeblich oder steht jemand anderer im Hintergrund? Sind die Vorstellungen der Beteiligten kongruent, also miteinander vereinbar? – Die Antworten darauf lassen Störpotential in den Absichten erkennen.
Indem man sich von diesen drei einfachen und eng gefassten Gesichtspunkten dem Problem nähert und Komplexitäten ausblendet, lassen die Antworten allmählich ein besseres Bild der Gesamtsituation erkennen.
Eine Anmerkung zum Schluss: Die Wahrheit über die Wurzel vieler Probleme liegt oft so nah, dass wir Gefahr laufen, sie zu übersehen. Sehr oft erscheint sie zu banal. Und manchmal ist sie für die Betroffenen durchaus unangenehm. Trotzdem gilt auch in diesem Fall: Die Wahrheit ist dem oder den Menschen zumutbar!