Ich weiß zwar nicht mehr, von wem dieses Zitat stammt, aber für uns Techniker scheint es in erhöhtem Maße zuzutreffen. Selber nehme ich mich davon nicht aus. Dazu eine kleine Geschichte rund um eine etwas komplexere Regel- und Steuerungsanlage für eine solarunterstützte Heizung und Warmwasserbereitung in einem größeren Privathaus. An der Anlage selbst schien alles zu funktionieren, Installateur und Regeltechnik hatten sehr gut gearbeitet. Der Betreiber wünschte nur noch eine einfache Beschreibung der Regelung und ihrer Funktionen, und zwar in verständlichem Klartext.
Die gewünschte Erläuterung ohne Techno-Kauderwelsch sollte schlicht dazu dienen, den nur zeitweilig anwesenden Hausbesitzern die Funktionen der Regelungsanlage in wenigen Worten in Erinnerung zu rufen und gelegentlichen Gästen das Können der vorhandenen Technik leicht verständlich näherzubringen. Ein berechtigter Wunsch, dessen Erfüllung aber ein eher schwieriges Unterfangen werden sollte, wie sich bald herausstellte.
Die folgenden Ereignisse lassen sich in Form eines Dramas schildern: Ob man dieses als Komödie durchgehen lässt oder ihm tragikomische Züge zumisst, hängt von der jeweiligen emotionalen Disposition ab.
Prolog: Der Hausbesitzer findet sich mit der Regelungsanlage nicht zurecht
Der A4-Ordner wog schwer, den der Bauherr sorgsam auf dem Küchentisch ablegte. „Das haben wir bekommen.“ Beim kurzen Durchblättern wird klar: Hier ruht in Frieden die technische Dokumentation der Regelungsanlage. Einige hundert Seiten Papier mit Schaltplänen, Verdrahtungsschemata und Prinzip-Schaltbildern. Sehr eindrucksvoll, der Ordner äußerlich im tollen Design der Lieferfirma. Aber keine lesbare und allgemein verständliche Anleitung dabei.
Meine Frage: „Kennen Sie sich mit der Regelung gut aus?“
Bauherr: „Ein bisschen, das notwendigste halt, aber was genau sie tut und wie sie tatsächlich funktioniert, keine Ahnung.“
Meine Anregung: „Ich könnte zwar eine Beschreibung machen, ein paar Sätze, maximal eine Seite, müsste dazu aber die Anlage austesten und die Dokumentation studieren. Aber den Aufwand können wir uns wohl sparen, eine einfache Beschreibung sollte der Installateur haben. Er hat die Anlage schließlich installiert und müsste auch schnell und genau alle Auskünfte geben können. Wir werden ihn um ein kurzes Gespräch bitten.“
1. Akt: ein paar Wochen später, der Installateur ist vor Ort
Der Installateur weiß wirklich Bescheid. Die Grundfunktionen kennt er, die kennen wir mittlerweile aber auch. Die Anlage ist über den tollen Touch-Screen leicht zu bedienen, die Systemkomponenten scheinen gut zusammenzuspielen, das Wetter macht auch mit, die Solaranlage etwa lässt sich im Betrieb genau beobachten. Aber auf die wenigen Fragen, die den Hausbesitzer und mich selber interessieren, gibt es keine befriedigende Antwort.
„Da ist ja eh die sehr umfangreiche Dokumentation im Haus, mit allen Schaltplänen. – Die hilft nicht? – Na sowas.“ Nein, eine leicht fassliche Beschreibung gibt’s auch beim Installateur nicht. Vier Fragen hätten wir. Eine Kurzbeschreibung würde genügen, leicht verständlich, alles zusammen maximal eine Seite A4. „Wird der Lieferant der Regelungsanlage gerne machen. Dauert längstens vierzehn Tage.“ Der Installateur wird den Regelungshersteller kontaktieren und sich melden.
2. Akt: wieder einige Wochen später, der Regelungs-Spezialist ist vor Ort
Der Spezialist tritt auf. Er kennt die Anlage, sein Unternehmen hat die Regelungsanlage schließlich konzipiert, geplant, gebaut, die Software entwickelt, diese implementiert, getestet und schließlich für den Betrieb freigegeben.
Er liest die Daten aus der Anlage aus, sagt, dass er sie auswerten oder auswerten lassen wird und sich zu melden gedenkt, wenn alles klar sei, in etwa ein bis zwei Wochen sei mit seiner Stellungnahme zu rechnen. Er verabschiedet sich rasch.
Der ebenfalls anwesende Installateur hat die Szene aufmerksam verfolgt und meint, dass alles gut läuft. Er bittet um etwas Geduld. Und die Telefonnummer des Spezialisten für etwaige Rückfragen hätten wir jetzt ja. Mir fällt beim besten Willen keine Sache ein, die ich rückfragen könnte, außer natürlich, wann wohl wirklich mit den paar Sätzen zu rechnen sein wird.
Das verkneife ich mir aber, ich will ja nicht nervig sein. Der ebenfalls anwesende Hausbetreuer ist mit den Grundfunktionen der Anlage gut vertraut und bestätigt, dass sie gut funktioniert. Nähere Details und wie genau die Regelung funktioniert, seien ihm aber natürlich auch nicht geläufig.
3. Akt: Wenige Wochen später, der Regelungs-Spezialist meldet sich
Tatsächlich, der Spezialist ist am Telefon. Er hat die Daten ausgewertet, die wichtigen Parameter festgehalten und lässt mir per E-Mail gleich einmal eine Palette von Screenshots zukommen, die die Schemata der Anlage zeigen. Ja und außerdem gibt es noch einen Screenshot von den Parametern, die sich in der verborgenen Bedienungsebene finden lassen. Damit sei wohl alles geklärt.
Meinen Einwand, dass mir die genannten Screenshots eh schon von Anfang an vorliegen, aber wenig helfen, ignoriert er. Aber für meinen dringenden Wunsch nach ein paar erlösenden Sätzen im Klartext im Umfang von höchstens einer Seite hat er letztlich doch Verständnis: Da gibt es ja, meint er, die umfassende Dokumentation mit allen Schaltplänen. Die sei aber zu groß für ein E-Mail, eine CD gehe heute noch per Post an mich ab.
Mein Anliegen wird trotz mehrmaliger Wiederholung einfach nicht verstanden und daher ignoriert. Mir verschlägt es vorerst einmal die Sprache. Irgendwelche weiteren Forderungen oder gar Widerstand scheinen mir zwecklos.
Epilog: Zwei weitere Wochen danach, im Büro
Die versprochene CD ist noch nicht eingelangt und ihr Einlangen würde mir auch keinen Trost spenden. Im Verhältnis zur Kleinheit der Sache haben wir alle einen hohen Aufwand an Zeit und Mühe getrieben, der uns ja auch Geld gekostet hat. Nur um erst wieder dort zu landen, wo wir angefangen haben? Eigentlich ein Desaster, das so nicht vorkommen dürfte. In so einer Situation hat es keinen Sinn, auf andere zu zeigen, ich frage daher: Was habe ich selber falsch gemacht?
Selbstkritik ist gut, aber ins Grübeln verfallen bringt nichts. Daher sitze ich am Schreibtisch und schreibe die paar Sätze eigenhändig. Dann werde ich sie dem Regelungs-Spezialisten zur Kontrolle und in der Hoffnung zusenden, dass er diese meine einfache Sprache versteht und dass er in der Lage ist, die Sachverhalte wenn nötig so zu korrigieren, dass sie sprachlich leicht verständlich bleiben.
Bleiben einige Fragen:
- Warum sind solche einfachen Sachen manchmal so schwierig?
- Was muss man tun, damit ein simpler Kundenwunsch richtig verstanden wird?
- Denken wir Techniker zu kompliziert?
- Oder leben wir oft schon so sehr in einer Parallelwelt, dass wir „normale“ Menschen (und diese uns) nicht mehr verstehen?
Was meinen Sie dazu?